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(Klima-) Wandel am Rand des Moores

Die Hochmoore im Landkreis Traunstein sind meist von einem Waldgürtel umgeben. Der Klimawandel mit Sturmschäden, Schneebruch, Trockenheit und der Borkenkäfer setzen auch hier dem Wald und insbesondere den Fichten und Kiefern zu. Der schlechte Standort und der geringe Ertrag machen den Waldumbau schwierig. Ein Beispiel dafür, wie es trotzdem gehen kann, zeigte die Kreisgruppe des BUND Naturschutz in Bayern e.V. auf ihrer siebten Waldexkursion an den Rand der Kammerer Filze.

Die Veranstaltung fand in bewährter Zusammenarbeit mit dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Traunstein statt. Als Führer und Diskussionspartner für die Teilnehmer begleitete der vor Ort zuständige Revierförster Markus Lechner die Exkursion.

29.10.2021

Der Organisator der Veranstaltung, Herr Rutkowski, wies in seiner Begrüßung auf die vielen größeren und kleineren Moore im Landkreis Traunstein und die dementsprechend häufigen Wälder in deren Randlagg hin. Die Kreisgruppe des BUND Naturschutz sorgt sich um den Zustand dieser Wälder, deren Erhalt auch wichtig für den Erhalt der Moore ist. Sie begrüßt das Projekt, nach einer Kalamität auf einer Fläche im Randlagg einen standortgerechten Wald mit hoffentlich guten Zukunftsaussichten zu schaffen. Dass dieses Ziel nicht einfach zu erreichen ist, wurde auf der Exkursion deutlich.

Herr Lechner stellte die Kammerer Filze als typisches Hochmoor des Chiemgaus vor, dessen Torfkörper seit der letzten Eiszeit vom Boden einer abflusslosen Senke bis zur heutigen Höhe aufgewachsen ist. Er schätzte die Torfmächtigkeit im Hochmoorkern auf etwa 10 Meter und erklärte, wie sich die Bodenverhältnisse und die Vegetation vom Landwald über das Randlagg und das ansteigende Moorgehänge bis zum Hochmoorkern ändern.

Auf der besichtigten Fläche im Randlagg findet sich kein sauerer Moorboden, sondern unter einer etwa 20 cm starken Humusauflage Gley, ein Tonboden. Ein Bohrstock kann in seiner ganzen Länge in den Boden gedrückt werden, ohne einen einzigen Stein zu treffen. In dem herausgezogenen Bohrkern lässt sich unter der Humusauflage zunächst eine Schicht erkennen, die nicht ständig wassergesättigt ist, sondern in die zeitweise Luft dringt. In dieser Zone finden Oxidationsprozesse statt, die Eisen als Rostspuren ausfällen. Im darunter liegenden, ständig wassergesättigten Bereich herrscht dagegen ein reduzierendes Milieu. Infolge des stark schwankenden Grundwasserstandes ist der Boden im Sommer oft trocken, im Winter und Frühjahr bei hohem Grundwasserstand häufig luftarm, nass und kalt. Eine forstliche Nutzung ist aber mit nässeliebenden Baumarten wie etwa Erle, Esche und Pappel möglich.

Anhand weiterer Proben zeigte Herr Lechner, wie in Richtung Hochmoorkern auf vergleichsweise kurzer Strecke mit dem Übergang zum Nassgley zunächst die oxidierende Schicht verschwindet. Organisches Material wird im reduzierenden Milieu zunehmend schlechter abgebaut, es bildet sich ein anmooriger Boden. Der Humus geht in Richtung Hochmoorkern in eine immer mächtigere Torfauflage über. Gleichzeitig entkoppelt sich der Wasserhaushalt im durchwurzelten Bereich immer weiter vom Grundwasser. Das Hochmoor wird nur vom Regenwasser gespeist und ist entsprechend mineralstoffarm. Darin liegt ein wichtiger Unterschied zu Hangquellmooren in unserer Region, wie z.B in der Pechschnait, die sich an Quellhorizonten bilden.

Im Bereich des Randlagg ist der Boden nass, aber mineralstoffreich. Damit bestehen grundsätzlich gute Voraussetzungen für einen Wald. Die potentielle natürliche Vegetation an dieser Stelle wäre ein Fichten-Schwarzerlen-Sumpfwald. Neben Fichte und Schwarzerle als Hauptbaumarten kämen Stieleiche, Kiefer, Moorbirke und Vogelbeere als Begleitbaumarten vor. Im Randgehänge des Moores verschlechtern sich in Richtung Hochmoorkern die Bedingungen, der natürliche Wald würde artenärmer und lichter. Auf der Hochmoorweite würden nur Latschen wachsen bzw. wäre die Hochmoorweite gänzlich baumfrei.

Mit zunehmender landwirtschaftlicher Nutzung des Chiemgaus wurde auch der Wald im Randlagg gerodet, die Flächen wurden als ein- oder zweischürige Streuwiesen genutzt. Ältere Teilnehmer der Exkursion konnten sich aus ihrer Kinderzeit noch gut an diesen Zustand und den Reichtum dieser Flächen an Orchideen erinnern. Die Wiederaufforstung fand erst in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts statt, als Einstreu nicht mehr im bisherigen Umfang benötigt wurde. Gepflanzt wurde vielfach Fichte in Monokultur, die einen schnellen Ertrag versprach.

In der Diskussion unter den Teilnehmern bestand Einigkeit darüber, dass der Artenreichtum der damaligen Streuwiesen auch durch einen erfolgreichen Waldumbau nicht erreicht würde. Allerdings könnte der damalige Zustand heute auch dann nicht mehr hergestellt werden, wenn die Fläche als extensive Wiese angelegt würde. Die klimatischen Bedingungen oder z.B. Stickstoffeinträge aus der Luft haben sich bereits zu sehr verändert. Dies lässt sich auch an noch bestehenden benachbarten Wiesen ablesen. Alle Bemühungen im Naturschutz stehen im Spannungsfeld zwischen dem Artenschutz, der den Status Quo bewahren möchte und dem Prozessschutz, der eine natürliche Entwicklung unbeeinflusst ablaufen lassen möchte.

Der Klimawandel wird auch Auswirkungen auf das Hochmoor und das Randlagg haben. Herr Lechner erläuterte, dass steigende Temperaturen und ein steigender CO2-Gehalt der Luft das Pflanzenwachtum begünstigen. Mit dem erhöhten Umsatz der Pflanzen steigt deren Transpiration, also die Verdunstung über die Blattflächen. Damit sinkt der Wasserspiegel im Moor, der baumfreie Hochmoorkern wird kleiner und kann von Zwergsträuchern und Bäumen erobert werden. Am Ende der Exkursion konnten sich die Teilnehmer davon überzeugen, wie weit diese „Verheidung“ des Hochmoors in den Kammerer Filzen bereits fortgeschritten ist. Störungen des Wasserhaushalts durch Drainagen am Rand beschleunigen diesen Prozess. Die kleinräumigen Vegetationszonen am Rand des Moores verschieben sich dabei in Richtung des Moorkerns, das heutige Randlagg kann zu Landwald werden.

Die durch den Klimawandel ausgelösten Prozesse im und um ein Moor sind sehr komplex und können in den Modellrechnungen noch nicht simuliert werden. Daher gibt es für diese Bereiche noch keine belastbaren Empfehlungen für die Baumartenwahl bei Annahme einer bestimmten Erwärmung, z.B. um 2° C. In der Beratung werden die Baumarten empfohlen, die in der heutigen Situation ihr Optimum im Hinblick auf Temperatur und Niederschlag finden. Diese haben eine hohe Toleranz für Veränderungen dieser Parameter in jede Richtung. Für die Projektfläche wurde als Hauptbaumart die Schwarzerle ausgewählt, die bereits sehr gut angewachsen ist. Im Hinblick auf die Zunahme der mittleren Temperatur und die Entwicklung zum Landwald kommen daneben standortgemäße Baumarten von wärmeren Standorten und seltene Baumarten in Frage. Allerdings treten im Randlagg heute noch strenge Fröste (hier gemessen bis -25°C) und häufige Spätfröste auf, da sich durch die tiefe Lage gegenüber dem Landwald und dem gerade im Frühjahr besonders kalten Hochmoor Kaltluftseen bilden. Diese schränken die zur Auswahl stehenden Baumarten stark ein. Die gepflanzten Stieleichen sind in einem deutlich schlechteren Zustand als die Erlen. Auch alternative Baumarten können in Betracht gezogen werden, soweit es sich nicht um Lagen in FFH-Gebieten oder Naturschutzgebieten handelt. Auf einer Teilfläche wurde Schwarznuss gepflanzt, die offenbar gut mit den Bedingungen zurecht kommt. Eine wirkliche Beurteilung ist aber erst in etwa 15 Jahren möglich. Herr Lechner erläuterte, dass die einzelnen Baumarten jeweils auf eigene, genügend große Teilflächen gepflanzt werden sollen, um der unterschiedlichen Wuchsgeschwindigkeit Rechnung zu tragen.

Herr Lechner wies darauf hin, dass praktisch alle für den Standort geeigneten Laubbäume Lichtbaumarten sind und daher ein Waldumbau unter dem Schirm heute vorhandener Fichten kaum möglich ist. Auf der betrachteten Fläche musste nach einer Kalamität der Bestand gerodet werden. Die gepflanzten Erlen und Birken werden innerhalb von ca. 15 Jahren zu einem Vorwald heranwachsen. Dann kann entschieden werden, mit diesem Bestand Wertholz zu produzieren, was auch auf diesen Standorten möglich ist. Ansonsten kann der Bestand nach dieser Zeit mit Fichte und Tanne unterpflanzt werden, die im Schutz des Vorwalds heranwachsen und diesen schließlich überwachsen.

Der Erfolg der Maßnahme hängt neben den Standortfaktoren Boden, Temperatur und Licht auch von der sich auf der Fläche ausbreitenden Kahlschlagflora und dem Verbiss ab. Auf der gesamten Fläche hat sich momentan Springkraut ausgebreitet, das aber toleriert werden kann und zurück geht, wenn sich der Vorwald in einigen Jahren schließt. Trotzdem sollte es um die gepflanzten Bäume niedergetreten werden. Eine Ausbreitung der Brombeere wäre dagegen eine deutliche Gefährdung der Pflanzung.

Insbesondere die gepflanzte Eiche zeigte sich vom Verbiss betroffen, auch wenn die Verbiss-Situation in diesem Jagdrevier besonders gut ist und die Jagd sehr engagiert ausgeübt wird. Die Eigentümer haben Hüllen aus Karton als Alternative zu den gängigen Plastikhüllen verwendet. Die Vor- und Nachteile dieser und noch weiterer Systeme wurden intensiv diskutiert. Die Plastikhülle lässt mehr Licht an die Jungbäume. Die Kartonhülle erweist sich als nicht ausreichend beständig, führt aber zu keine Belastung der Fläche mit Mikroplastik.

Herr Lechner wies darauf hin, dass für die Waldbewirtschaftung auch in diesen Lagen ein Spannungsdreieck zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten besteht, in dem die Waldbesitzer ihre Zielsetzung definieren und Schwerpunkte setzen müssen. Die amtliche Beratung kann und soll die Entscheidungsfindung argumentativ unterstützen, aber nicht ersetzen. Die Grundeigentümer erläuterten, aus welchen Interessen, unter welchen Randbedingungen und auf welchem Weg sie zu ihren Entscheidungen gekommen sind. Sie gingen dabei auch auf ihren Handlungsspielraum ein, der sich daraus ergab, dass die Waldfläche nicht mehr zu einem Hofeinkommen beiträgt. Die Kosten für Pflanzen, Stangen und Hüllen konnten zum größten Teil über Fördermaßnahmen abgedeckt werden, so dass im Wesentlichen die Arbeitsleistung als Eigenanteil verblieb.

Als weiterführende Literatur zur Entwicklung der Moorwälder im Klimawandel sei auf die Studie von G. Kaule et. al. „Die Hochmoorwälder des süddeutschen Voralpengebietes: Moorökologische Bedeutung und zukünftige Entwicklung im Klimawandel“ (2018) verwiesen.

Mehr Informationen zu Gleyböden finden Sie zum Beispiel unter

http://www.ahabc.de/bodentypen/bodensystematische-einheiten-semiterrestrische-boeden/bodentyp-auengley/.

(Bilder und Zeichnungen: Christian Rutkowski)