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Natur & Garten

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Fast fashion - 124 Millionen Tonnen pro Jahr

Bei einem Besuch im Bauernhofmuseum sehen wir nicht nur die Kleidung früherer Zeiten aus Wolle und Leinen, sondern auch die Werkzeuge zu ihrer Herstellung: Schafschere und Spinnrad, Riffelkamm und Brechlbad. Sie legen Zeugnis davon ab, wie mühsam die Herstellung von Stoffen war – und welche Wertschätzung Stoffe und Kleidung deswegen früher erfuhren. Aber wie ist es heute möglich geworden, jedes Jahr weltweit über 100 Milliarden Kleidungsstücke zu produzieren? Woher kommt der ganze Stoff?

Jedes Jahr ein neuer Rekord
Weltweit wurde 2023 eine neue Rekordmenge an Textilfasern produziert: 124 Millionen Tonnen. Verladen in moderne Großraumgüterwagen der Bahn mit 50 Tonnen Lastgrenze ergäbe das einen Güterzug von über 53.000 Kilometer Länge. Das bedeutet eine Steigerung um 7 % gegenüber dem Vorjahr und der Trend zeigt weiter nach oben: Für das Jahr 2030 werden bereits 160 Mio. Tonnen vorhergesagt. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 betrug die Produktion mit 58 Mio. Tonnen noch weniger als die Hälfte und wir mussten auch nicht halbnackt laufen.
2023 wurde von allen Schafen dieser Welt rund 1 Mio. Tonnen Wolle gewonnen, Leinen trug nur 0,4 Mio. Tonnen bei. Auch alle anderen Ausgangsprodukte unserer Vorfahren würden beim Wahlergebnis nur unter „Sonstige“ landen. Dominiert wird der Markt von Baumwolle mit 24,7 Mio. Tonnen (20 %) und erdölbasierten Kunstfasern mit 83,7 Mio. Tonnen – ein Marktanteil von 67 %. Unter diesen ragt das Polyester heraus, das mit einer Produktion von über 71 Mio. Tonnen über 57 % Marktanteil hat. Zellulosebasierte Chemiefasern wie Viskose, Acetat, Lyocell oder Modal mit zusammen 7,9 Mio. Tonnen (6 %) spielen die Rolle eines Juniorpartners in der Koalition der Kunstfasern.
Eine Überschlagsrechnung: Wenn 100 Gramm Baumwollgarn zum Stricken einen Faden von 200 Metern Lauflänge ergeben, dann entspricht die Jahresmenge Baumwolle einem Faden, der 130.000 Mal bis zum Mond oder unglaubliche 1,25 Mio. mal um den Äquator reicht.

2000

wurden 58 Mio. t

Textilfasern produziert

2023

wurden 124 Mio. t

Textilfasern produziert

2030

werden 160 Mio. t

Textilfasern produziert werden

Recyclingfaser nur ein Nischenmarkt
Die Gesamtmenge an Textilfasern aus einem Recycling-Prozess stieg zwar von 9,2 Mio. Tonnen 2022 auf knapp 9,6 Mio. Tonnen im Jahr 2023 leicht an. Im gleichen Zeitraum stieg die Produktion von Frischfasern von 107 Mio. Tonnen auf 115 Mio. Tonnen, was vor allem auf den Anstieg neuer Kunstfasern auf Erdölbasis von 67 Mio. Tonnen auf 75 Mio. Tonnen im Jahr 2023 zurückzuführen ist. Dementsprechend ging der Marktanteil von Recyclingfasern von 7,9 % im Jahr 2022 auf 7,7 % im Jahr 2023 zurück. Fast die gesamte Menge davon entfällt auf recyceltes Polyester aus Plastikflaschen. Das wird entsprechend intensiv als ökologisch verantwortungsvoll beworben, aber für die Kreisgruppe des BUND Naturschutz ist das nur Augenwischerei: Da es praktisch kein Recycling für Altkleider aus Polyester gibt, ist die Herstellung von Kleidung aus PET-Flaschen ein abruptes Ende des Stoffkreislaufs, eine Einbahnstraße in die Sackgasse. Außerdem schwingt dabei mit, dass Kleidung eigentlich nur ein Abfallprodukt ist, was sie weiter entwertet.
Daneben hat nur noch das Recycling von Wolle eine gewisse Bedeutung, für alle anderen Fasern liegt die Recyclingquote unter 1 %. Weniger als 1 % des globalen Marktvolumens stammt aus Recyclingtextilien – seien es Retouren aus dem überbordenden Versandhandel oder Alttextilien. 
Die zunehmende Verbreitung von Textilien aus Fasermischungen - wie Baumwolle mit Polyester oder Elastan - stellt das Recycling von Textilabfällen nach dem Gebrauch vor große Herausforderungen. Dies liegt an der arbeitsintensiven Trennung der verschiedenen Fasertypen und den unterschiedlichen Bedingungen, die für chemisches und mechanisches Recycling erforderlich sind. Chemische Recyclingtechnologien können helfen, die mit dem mechanischen Recycling von Textilien verbundenen Komplikationen zu überwinden, aber aus Sicht der Kreisgruppe ist das nicht mehr als eine vage Hoffnung für die Zukunft.
Der „Materials Market Report“ der Organisation Textile Exchange bringt es auf den Punkt: „Die Branche hat sich zwar verpflichtet, sich an den 1,5°C-Pfad anzupassen, aber es sind auch Trends zu beobachten, wie z. B. die Abhängigkeit der Branche von neuen synthetischen Materialien auf fossiler Basis und die Beschränkungen des Recyclings von Textilien zu Textilien, die die Einhaltung der Klimaziele der Branche zu untergraben drohen.“
 

Keine Alternative: Baumwolle

11.000 L Wasser

werden für 1 kg

Baumwolle benötigt

16 %

der Insektizide

werden im Baumwollanbau eingesetzt

6 %

der Pestizide

werden im Baumwollanbau eingesetzt

Keine Alternative: Baumwolle
Wäre das Naturprodukt Baumwolle nicht die ökologisch sinnvolle Alternative zur Kunstfaser auf Erdölbasis? Leider nein, denn Anbau und Verarbeitung von Baumwolle gehen mit vielen Umweltproblemen einher: Für ein Kilogramm Baumwolle werden rund 11.000 Liter Wasser benötigt. Dementsprechend verursacht die künstliche Bewässerung beim Baumwollanbau und der Wasserverbrauch beim Färben der Stoffe 1,1 % der weltweiten Wasserentnahme aus Gewässern und dem Grundwasser. Etwa 40 % dieses ‚blauen Wassers‘ wird in Ländern mit hoher saisonaler Wasserknappheit verbraucht, darunter Indien und die Türkei. Satellitenmessungen des Schwerefelds der Erde decken auf, dass der Raubbau an Grundwasservorräten besonders in den großen Anbaugebieten für Baumwolle stattfindet. Die sinkenden Grundwasserspiegel in ehemals fruchtbaren Anbaugebieten lassen nicht nur Lebensräume vertrocknen sondern beeinträchtigen auch die Versorgung der lokalen Bevölkerung mit Trinkwasser sowie den dortigen Lebensmittelanbau für den Eigenbedarf. 
Die Austrocknung des Aralsees als Folge der Wasserumleitung für den Baumwollanbau stellt weltweit eine der größten vom Menschen verursachten Umweltkatastrophen dar. Der Aralsee war bis Anfang der 1960er Jahre der viertgrößte Binnensee der Erde und bedeckte beinahe die Fläche Bayerns. Damalige Bade- und Uferorte liegen heute mitten in der Wüste, teilweise mehr als 100 Kilometer vom heutigen Ufer entfernt.
Aber damit nicht genug: Baumwolle wird beinahe immer in Monokulturen angebaut, und die Baumwollfelder werden sehr intensiv bewirtschaftet. Damit gehen Probleme wie der Verlust von Bodenfruchtbarkeit, Bodenversalzung und der Verlust von Biodiversität einher. Auf den Anbau von Textilfasern, insbesondere Baumwolle, entfallen 4 % der gesamten jährlich ausgebrachten Düngermenge. Knapp 6 % der jährlich weltweit verkauften Schädlingsbekämpfungsmittel (Pestizide) werden im Baumwollanbau eingesetzt. Dazu gehören auch Insektenbekämpfungsmittel (Insektizide), bei denen sogar 16 % der weltweit verkauften Mengen im Baumwollanbau verwendet werden. Zur Einordnung dieser Zahlen: Die Bekleidungsindustrie trägt nur 0,6 % zum weltweiten Handelsvolumen mit Endverbrauchern bei.
Der Baumwollanbau für den Textilkonsum deutscher Verbraucherinnen und Verbraucher benötigt eine Fläche von 6.400 Quadratkilometern. Das entspricht der Fläche der Landkreise Traunstein, Rosenheim, Mühldorf, Altötting, Rottal-Inn und Berchtesgadener Land zusammen. Pro Kopf sind dies fast 80 Quadratmeter, mehr als vielen als Wohnfläche zur Verfügung steht. Diese Fläche fehlt in den Anbaugebieten für die Erzeugung von Nahrungsmitteln für die lokale Bevölkerung oder als natürlicher hochwertiger Lebensraum.
Etwa 69 % der Baumwolle gelangt ohne irgendein Zertifikat in den Handel. Unter welchen Umwelt- und Arbeitsbedingungen sie angebaut und verarbeitet wurde, ist in keinster Weise transparent und nachprüfbar. Bio-Baumwolle hat nur einen Marktanteil von 3,2 %. Und auch hier herrscht mehr Verwirrung als Transparenz. Der „Materials Market Report“ schreibt hierzu: „Die Zertifizierung des ökologischen Baumwollanbaus ist ein äußerst komplexes Unterfangen. Es gibt 15 betriebliche Standards/Programme für den ökologischen Landbau (im Gegensatz zu den Standards für die ökologische Lieferkette, die diese als Inputs verwenden), von denen bekannt ist, dass sie im Zeitraum 2022/23 für Baumwolle verwendet werden. Einige dieser Standards auf Betriebsebene sind spezifisch für ein einziges Land, während andere in vielen Ländern verwendet werden; einige sind staatliche Vorschriften, während andere private Standards sind; und einige haben Äquivalenzvereinbarungen mit anderen Standards, während andere dies nicht tun. Darüber hinaus wird die Aggregation von Bio-Baumwollmengen auf globaler Ebene durch die Tatsache erschwert, dass Bio-Baumwolle oft nach mehr als einem Standard zertifiziert wird und nicht alle Standardinhaber Daten veröffentlichen.“ Ähnlich äußert sich das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Was ist besser: Natur- oder Kunstfaser?
Die Frage ist aus ökologischer Sicht nicht einfach zu beantworten. Nach Meinung der Kreisgruppe des BUND Naturschutz müssen wir sie aber gar nicht beantworten, denn sie ist falsch gestellt. Beide Produkte haben ökologischen Nachteile und deswegen sollten wir sparsam und verantwortungsbewusst mit ihnen umgehen. Die derzeitige Menge kann weder umwelt- noch sozialverträglich produziert werden. Und wir sollten fragen, ob es bessere, die Umwelt weniger belastende Formen der Herstellung gibt? Baumwolle kann auch ohne den massiven Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln angebaut werden. Auch eine deutliche Reduktion des Wasserverbrauchs ist durch schonende Bodenbearbeitung und optimierte Bewässerungstechniken möglich.
Die Marketing-Strategie hinter Fast Fashion möchte uns glauben zu machen, dass wir etwas verpassen, wenn wir das angebotene Kleidungsstück nicht jetzt sofort kaufen. Wir sollen keine rationale, an unserem tatsächlichen Bedarf oder gar an Nachhaltigkeit orientierte Kaufentscheidung treffen. Es liegt an uns, ob wir uns von dieser Strategie manipulieren lassen oder uns den Manipulationsversuchen widersetzen.
Kaufen Sie Kleidung bewusst! Sie verpassen nichts, wenn sie aus der Kollektion dieser Woche nichts kaufen – nächste Woche wird es ohnehin eine neue Kollektion geben.
Machen Sie sich klar, dass die Herstellung von Kleidung auch in Zeiten von Fast Fashion immer noch einen sehr hohen Anteil von Handarbeit beinhaltet. Genau deswegen flüchtet die Textilindustrie immer wieder in das nächste Billiglohnland, sobald an ihrem momentanen Standort Löhne und gewerkschaftliche Organisation steigen. Wie Sie Ihre Kleidung wertschätzen ist auch Ausdruck Ihrer Wertschätzung für die Arbeit der Menschen, die diese Kleidung für Sie hergestellt haben. Würden Sie den Pullover, den Ihre Mutter, Frau oder Freundin oder Sie selbst gestrickt haben, einfach wegwerfen, wenn Sie ihn vier oder fünf Mal getragen haben?
Kaufen Sie hochwertige und langlebige Kleidung, die zu Ihnen und Ihrem Stil passt und an der Sie dauerhaft Freude haben. Auch wenn die Werbung Ihnen etwas anderes einreden möchte: Sie müssen weder sich noch Ihren Stil monatlich neu erfinden – seien Sie Sie selbst! ‚Buy less, buy better‘ schont nicht nur Ihr Portemonnaie, sondern spart auch enorme Mengen an Ressourcen und Chemikalien.
Informieren Sie sich über die einzelnen Siegel. Informationen finden Sie z. B. auf dem Portal www.siegelklarheit.de. Dort werden die Siegel auf ihre Glaubwürdigkeit, Umweltfreundlichkeit sowie Sozialverträglichkeit bewertet. „Siegelklarheit“ ist eine Initiative des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Seit Herbst 2019 steht mit dem ‚Grünen Knopf‘ auch ein staatliches Nachhaltigkeitssiegel für Textilien zur Verfügung. Achten Sie beim Kauf Ihrer Kleidung auf diese Siegel und kaufen Sie keine Kleidung, bei der Sie nicht erkennen können, welche bzw. ob überhaupt ökologische und soziale Standards bei ihrer Produktion eingehalten wurden.