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Natur & Garten

Wir über uns

Fast fashion - 124 Millionen Tonnen pro Jahr

Bei einem Besuch im Bauernhofmuseum sehen wir nicht nur die Kleidung früherer Zeiten aus Wolle und Leinen, sondern auch die Werkzeuge zu ihrer Herstellung: Schafschere und Spinnrad, Riffelkamm und Brechlbad. Sie legen Zeugnis davon ab, wie mühsam die Herstellung von Stoffen war – und welche Wertschätzung Stoffe und Kleidung deswegen früher erfuhren. Aber wie ist es heute möglich geworden, jedes Jahr weltweit über 100 Milliarden Kleidungsstücke zu produzieren? Woher kommt der ganze Stoff?
Jedes Jahr ein neuer Rekord
Weltweit wurde 2023 eine neue Rekordmenge an Textilfasern produziert: 124 Millionen Tonnen. Verladen in moderne Großraumgüterwagen der Bahn mit 50 Tonnen Lastgrenze ergäbe das einen Güterzug von über 53.000 Kilometer Länge. Das bedeutet eine Steigerung um 7 % gegenüber dem Vorjahr und der Trend zeigt weiter nach oben: Für das Jahr 2030 werden bereits 160 Mio. Tonnen vorhergesagt. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 betrug die Produktion mit 58 Mio. Tonnen noch weniger als die Hälfte und wir mussten auch nicht halbnackt laufen.
2023 wurde von allen Schafen dieser Welt rund 1 Mio. Tonnen Wolle gewonnen, Leinen trug nur 0,4 Mio. Tonnen bei. Auch alle anderen Ausgangsprodukte unserer Vorfahren würden beim Wahlergebnis nur unter „Sonstige“ landen. Dominiert wird der Markt von Baumwolle mit 24,7 Mio. Tonnen (20 %) und erdölbasierten Kunstfasern mit 83,7 Mio. Tonnen – ein Marktanteil von 67 %. Unter diesen ragt das Polyester heraus, das mit einer Produktion von über 71 Mio. Tonnen über 57 % Marktanteil hat. Zellulosebasierte Chemiefasern wie Viskose, Acetat, Lyocell oder Modal mit zusammen 7,9 Mio. Tonnen (6 %) spielen die Rolle eines Juniorpartners in der Koalition der Kunstfasern.
Eine Überschlagsrechnung: Wenn 100 Gramm Baumwollgarn zum Stricken einen Faden von 200 Metern Lauflänge ergeben, dann entspricht die Jahresmenge Baumwolle einem Faden, der 130.000 Mal bis zum Mond oder unglaubliche 1,25 Mio. mal um den Äquator reicht.
Recyclingfaser nur ein Nischenmarkt
Die Gesamtmenge an Textilfasern aus einem Recycling-Prozess stieg zwar von 9,2 Mio. Tonnen 2022 auf knapp 9,6 Mio. Tonnen im Jahr 2023 leicht an. Im gleichen Zeitraum stieg die Produktion von Frischfasern von 107 Mio. Tonnen auf 115 Mio. Tonnen, was vor allem auf den Anstieg neuer Kunstfasern auf Erdölbasis von 67 Mio. Tonnen auf 75 Mio. Tonnen im Jahr 2023 zurückzuführen ist. Dementsprechend ging der Marktanteil von Recyclingfasern von 7,9 % im Jahr 2022 auf 7,7 % im Jahr 2023 zurück. Fast die gesamte Menge davon entfällt auf recyceltes Polyester aus Plastikflaschen. Das wird entsprechend intensiv als ökologisch verantwortungsvoll beworben, aber für die Kreisgruppe des BUND Naturschutz ist das nur Augenwischerei: Da es praktisch kein Recycling für Altkleider aus Polyester gibt, ist die Herstellung von Kleidung aus PET-Flaschen ein abruptes Ende des Stoffkreislaufs, eine Einbahnstraße in die Sackgasse. Außerdem schwingt dabei mit, dass Kleidung eigentlich nur ein Abfallprodukt ist, was sie weiter entwertet.
Daneben hat nur noch das Recycling von Wolle eine gewisse Bedeutung, für alle anderen Fasern liegt die Recyclingquote unter 1 %. Weniger als 1 % des globalen Marktvolumens stammt aus Recyclingtextilien – seien es Retouren aus dem überbordenden Versandhandel oder Alttextilien. 
Die zunehmende Verbreitung von Textilien aus Fasermischungen - wie Baumwolle mit Polyester oder Elastan - stellt das Recycling von Textilabfällen nach dem Gebrauch vor große Herausforderungen. Dies liegt an der arbeitsintensiven Trennung der verschiedenen Fasertypen und den unterschiedlichen Bedingungen, die für chemisches und mechanisches Recycling erforderlich sind. Chemische Recyclingtechnologien können helfen, die mit dem mechanischen Recycling von Textilien verbundenen Komplikationen zu überwinden, aber aus Sicht der Kreisgruppe ist das nicht mehr als eine vage Hoffnung für die Zukunft.
Der „Materials Market Report“ der Organisation Textile Exchange bringt es auf den Punkt: „Die Branche hat sich zwar verpflichtet, sich an den 1,5°C-Pfad anzupassen, aber es sind auch Trends zu beobachten, wie z. B. die Abhängigkeit der Branche von neuen synthetischen Materialien auf fossiler Basis und die Beschränkungen des Recyclings von Textilien zu Textilien, die die Einhaltung der Klimaziele der Branche zu untergraben drohen.“
Keine Alternative: Baumwolle
Wäre das Naturprodukt Baumwolle nicht die ökologisch sinnvolle Alternative zur Kunstfaser auf Erdölbasis? Leider nein, denn Anbau und Verarbeitung von Baumwolle gehen mit vielen Umweltproblemen einher: Für ein Kilogramm Baumwolle werden rund 11.000 Liter Wasser benötigt. Dementsprechend verursacht die künstliche Bewässerung beim Baumwollanbau und der Wasserverbrauch beim Färben der Stoffe 1,1 % der weltweiten Wasserentnahme aus Gewässern und dem Grundwasser. Etwa 40 % dieses ‚blauen Wassers‘ wird in Ländern mit hoher saisonaler Wasserknappheit verbraucht, darunter Indien und die Türkei. Satellitenmessungen des Schwerefelds der Erde decken auf, dass der Raubbau an Grundwasservorräten besonders in den großen Anbaugebieten für Baumwolle stattfindet. Die sinkenden Grundwasserspiegel in ehemals fruchtbaren Anbaugebieten lassen nicht nur Lebensräume vertrocknen sondern beeinträchtigen auch die Versorgung der lokalen Bevölkerung mit Trinkwasser sowie den dortigen Lebensmittelanbau für den Eigenbedarf. 
Die Austrocknung des Aralsees als Folge der Wasserumleitung für den Baumwollanbau stellt weltweit eine der größten vom Menschen verursachten Umweltkatastrophen dar. Der Aralsee war bis Anfang der 1960er Jahre der viertgrößte Binnensee der Erde und bedeckte beinahe die Fläche Bayerns. Damalige Bade- und Uferorte liegen heute mitten in der Wüste, teilweise mehr als 100 Kilometer vom heutigen Ufer entfernt.
Aber damit nicht genug: Baumwolle wird beinahe immer in Monokulturen angebaut, und die Baumwollfelder werden sehr intensiv bewirtschaftet. Damit gehen Probleme wie der Verlust von Bodenfruchtbarkeit, Bodenversalzung und der Verlust von Biodiversität einher. Auf den Anbau von Textilfasern, insbesondere Baumwolle, entfallen 4 % der gesamten jährlich ausgebrachten Düngermenge. Knapp 6 % der jährlich weltweit verkauften Schädlingsbekämpfungsmittel (Pestizide) werden im Baumwollanbau eingesetzt. Dazu gehören auch Insektenbekämpfungsmittel (Insektizide), bei denen sogar 16 % der weltweit verkauften Mengen im Baumwollanbau verwendet werden. Zur Einordnung dieser Zahlen: Die Bekleidungsindustrie trägt nur 0,6 % zum weltweiten Handelsvolumen mit Endverbrauchern bei.
Der Baumwollanbau für den Textilkonsum deutscher Verbraucherinnen und Verbraucher benötigt eine Fläche von 6.400 Quadratkilometern. Das entspricht der Fläche der Landkreise Traunstein, Rosenheim, Mühldorf, Altötting, Rottal-Inn und Berchtesgadener Land zusammen. Pro Kopf sind dies fast 80 Quadratmeter, mehr als vielen als Wohnfläche zur Verfügung steht. Diese Fläche fehlt in den Anbaugebieten für die Erzeugung von Nahrungsmitteln für die lokale Bevölkerung oder als natürlicher hochwertiger Lebensraum.
Etwa 69 % der Baumwolle gelangt ohne irgendein Zertifikat in den Handel. Unter welchen Umwelt- und Arbeitsbedingungen sie angebaut und verarbeitet wurde, ist in keinster Weise transparent und nachprüfbar. Bio-Baumwolle hat nur einen Marktanteil von 3,2 %. Und auch hier herrscht mehr Verwirrung als Transparenz. Der „Materials Market Report“ schreibt hierzu: „Die Zertifizierung des ökologischen Baumwollanbaus ist ein äußerst komplexes Unterfangen. Es gibt 15 betriebliche Standards/Programme für den ökologischen Landbau (im Gegensatz zu den Standards für die ökologische Lieferkette, die diese als Inputs verwenden), von denen bekannt ist, dass sie im Zeitraum 2022/23 für Baumwolle verwendet werden. Einige dieser Standards auf Betriebsebene sind spezifisch für ein einziges Land, während andere in vielen Ländern verwendet werden; einige sind staatliche Vorschriften, während andere private Standards sind; und einige haben Äquivalenzvereinbarungen mit anderen Standards, während andere dies nicht tun. Darüber hinaus wird die Aggregation von Bio-Baumwollmengen auf globaler Ebene durch die Tatsache erschwert, dass Bio-Baumwolle oft nach mehr als einem Standard zertifiziert wird und nicht alle Standardinhaber Daten veröffentlichen.“ Ähnlich äußert sich das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Was ist besser: Natur- oder Kunstfaser?
Die Frage ist aus ökologischer Sicht nicht einfach zu beantworten. Nach Meinung der Kreisgruppe des BUND Naturschutz müssen wir sie aber gar nicht beantworten, denn sie ist falsch gestellt. Beide Produkte haben ökologischen Nachteile und deswegen sollten wir sparsam und verantwortungsbewusst mit ihnen umgehen. Die derzeitige Menge kann weder umwelt- noch sozialverträglich produziert werden. Und wir sollten fragen, ob es bessere, die Umwelt weniger belastende Formen der Herstellung gibt? Baumwolle kann auch ohne den massiven Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln angebaut werden. Auch eine deutliche Reduktion des Wasserverbrauchs ist durch schonende Bodenbearbeitung und optimierte Bewässerungstechniken möglich.
Die Marketing-Strategie hinter Fast Fashion möchte uns glauben zu machen, dass wir etwas verpassen, wenn wir das angebotene Kleidungsstück nicht jetzt sofort kaufen. Wir sollen keine rationale, an unserem tatsächlichen Bedarf oder gar an Nachhaltigkeit orientierte Kaufentscheidung treffen. Es liegt an uns, ob wir uns von dieser Strategie manipulieren lassen oder uns den Manipulationsversuchen widersetzen.
Kaufen Sie Kleidung bewusst! Sie verpassen nichts, wenn sie aus der Kollektion dieser Woche nichts kaufen – nächste Woche wird es ohnehin eine neue Kollektion geben.
Machen Sie sich klar, dass die Herstellung von Kleidung auch in Zeiten von Fast Fashion immer noch einen sehr hohen Anteil von Handarbeit beinhaltet. Genau deswegen flüchtet die Textilindustrie immer wieder in das nächste Billiglohnland, sobald an ihrem momentanen Standort Löhne und gewerkschaftliche Organisation steigen. Wie Sie Ihre Kleidung wertschätzen ist auch Ausdruck Ihrer Wertschätzung für die Arbeit der Menschen, die diese Kleidung für Sie hergestellt haben. Würden Sie den Pullover, den Ihre Mutter, Frau oder Freundin oder Sie selbst gestrickt haben, einfach wegwerfen, wenn Sie ihn vier oder fünf Mal getragen haben?
Kaufen Sie hochwertige und langlebige Kleidung, die zu Ihnen und Ihrem Stil passt und an der Sie dauerhaft Freude haben. Auch wenn die Werbung Ihnen etwas anderes einreden möchte: Sie müssen weder sich noch Ihren Stil monatlich neu erfinden – seien Sie Sie selbst! ‚Buy less, buy better‘ schont nicht nur Ihr Portemonnaie, sondern spart auch enorme Mengen an Ressourcen und Chemikalien.
Informieren Sie sich über die einzelnen Siegel. Informationen finden Sie z. B. auf dem Portal www.siegelklarheit.de. Dort werden die Siegel auf ihre Glaubwürdigkeit, Umweltfreundlichkeit sowie Sozialverträglichkeit bewertet. „Siegelklarheit“ ist eine Initiative des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Seit Herbst 2019 steht mit dem ‚Grünen Knopf‘ auch ein staatliches Nachhaltigkeitssiegel für Textilien zur Verfügung. Achten Sie beim Kauf Ihrer Kleidung auf diese Siegel und kaufen Sie keine Kleidung, bei der Sie nicht erkennen können, welche bzw. ob überhaupt ökologische und soziale Standards bei ihrer Produktion eingehalten wurden.
Mehr lesen
Die Organisation Textile Exchange veröffentlicht jährlich eine Marktübersicht zur Produktion von Textilfasern. Den aktuellen Report finden Sie hier.
Umfangreiche Informationen zu ökologischen und sozialen Aspekten der Textilindustrie enthält die Fallstudie zur globalen Umweltinanspruchnahme durch die Herstellung unserer Kleidung „KLEIDER mit HAKEN“ des Umweltbundesamts, die Sie sich unter hier herunterladen können.
Lösungsbeiträge der deutschen Entwicklungszusammenarbeit beschreibt die Studie „Soziale und ökologische Herausforderungen der globalen Textilwirtschaft“, herausgegeben vom Deutsches Institut für Entwicklungspolitik gGmbH, hier frei verfügbar.
 


Bunt und flauschig aber giftig?

Kleidung in leuchtenden Farben war auch früher begehrt und lange Zeit ein Statussymbol der Reichen und Mächtigen. Das Handwerk des Färbers war dagegen schon immer umweltbelastend und gering geschätzt. Die Lage der Straße „Am Färbergraben“ in Münchens mittelalterlichem Stadtplan erinnert daran bis heute. Heute geht es bei der Textilveredelung immer noch um Farbe, aber auch um viele andere Eigenschaften und einen Cocktail von etwa 2000 Chemikalien.
Das Umweltbundesamt beschreibt einen Besuch in einer Textilfärberei so: „Es ist meist heiß, nass und stickig. Ein Mix aus Chemikalien steigt in die Nase. In riesigen Waschtrommeln werden die Stoffbahnen bei Temperaturen von 80-90°C gewaschen, gebleicht, gefärbt, ausgerüstet, d.h. mit Chemikalien für Knitterfreiheit, besondere Geschmeidigkeit o.ä. versehen. In der LKW-großen Färbemaschine durchläuft der Baumwollstoff etwa 5-8 Spülvorgänge. Nach jedem Spülvorgang muss das Brauchwasser abgeführt und neues Wasser zugeführt werden, da jeder Prozess bestimmte Chemikalien benötigt. Das Ganze dauert 6 bis 12 Stunden.“ Selbst wenn das Abwasser überhaupt eine unseren Standards vergleichbare Kläranlage durchläuft - viele der verwendeten Chemikalien können in den Reinigungsstufen einer Kläranlage gar nicht abgebaut werden. Aber wie so oft gilt: Aus den Augen aus dem Sinn. Weil diese Arbeitsschritte bei Fast Fashion irgendwo anders auf der Welt und nicht mehr an der Stadtmauer stattfinden, gibt es nur wenig Problembewusstsein.
Dabei hätten wir allen Grund misstrauisch zu sein. Schließlich hat unsere Haut fast den ganzen Tag Kontakt zu unserer Kleidung. Regelungen der Europäischen Union zur Verwendung von Chemikalien, insbesondere die REACH-Verordnung (europäische Verordnung zur Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien), setzen zumindest dann strenge Grenzwerte, wenn ein begründeter Verdacht gesundheits- oder umweltgefährdender Wirkungen besteht. Diese Grenzwerte betreffen aber nur Produktionsschritte innerhalb der EU. Was in Bangladesch, China oder anderswo produziert wird, wird von diesen Regelungen nicht erfasst. Um es ganz klar zu sagen: Für den Import von Textilien und Lederwaren gibt es zwar die lakonische Bestimmung, dass sie nicht gesundheitsschädlich sein dürfen, aber keine Grenzwerte und keine Kontrollen auf Schadstoffe.
Bei Kosmetika müssen alle Inhaltsstoffe angegeben werden, auch wenn viele Verbraucher mit den Namen oder Kürzeln der Chemikalien nichts anfangen können. Aber wer an Allergien leidet, kann die Liste mit seinem Allergiepass abgleichen und eine bewusste Kaufentscheidung treffen. Bei Textilien fehlt diesbezüglich jegliche Transparenz. Auf dem Etikett müssen nur die Anteile der verschiedenen Textilfasern angegeben werden. Was von den erwähnten 2000 Chemikalien sonst noch verwendet wurde, bleibt unerwähnt.
Und die Entwicklung geht weiter: Fast Fashion drückt praktisch im Wochenrhythmus neue Kollektionen in den Markt. Kleine Veränderungen der Schnitte heben diese nicht deutlich von ihren Vorgängern ab und die Anzahl grundlegender Variationsmöglichkeiten ist begrenzt: Für Hosen mit drei Beinen wird sich kein Markt finden. Farbe ist dagegen ein wichtiges Erkennungsmerkmal, das erste, das wir im Laden oder Internet von einem Kleidungsstück wahrnehmen. Dadurch entsteht eine Nachfrage nach immer neuen Farbstoffen, die die chemische Industrie entwickeln soll. Die Zyklen, in denen diese auf den Markt gebracht werden, verkürzen sich parallel zu den Zyklen der Modeindustrie.

Farben, Weichmacher, Biozide und mehr
Azofarbstoffe stellen die größte Gruppe der Textilfarbstoffe dar. Sie sind preiswert, einfach herzustellen und weisen eine große Farbvielfalt auf. Sie sind aber nicht unbedingt sehr beständig, sondern können auch biochemisch durch Enzyme an der Hautoberfläche gespalten werden. Etliche der dabei entstehenden Bruchstücke begünstigen die Entstehung von Krebs oder können das Erbgut schädigen und sind daher seit 30 Jahren für die Verwendung in Textilien und Ledererzeugnissen mit direktem und längerem Kontakt mit der Haut verboten. Damit sind einige Hundert der derzeit bekannten Azofarbstoffe für die Verwendung in Textilien quasi verboten. Trotzdem gibt es noch mehrere Hundert Azofarbstoffe, die zur Textilfärbung eingesetzt werden können, und es werden beständig weitere Azofarbstoffe neu entwickelt. Andere Farbstoffe können auf Metallen wie Kupfer oder Chrom basieren.
Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) kommen aufgrund ihrer wasser-, fett- und schmutzabweisenden Wirkung in vielen Bereichen, unter anderem auch in Outdoor- und Arbeitsbekleidung zum Einsatz. Sie breiten sich in unserer Umwelt leicht aus aber können dort praktisch nicht abgebaut werden. Deswegen und aufgrund krebserregender oder die Fruchtbarkeit beeinträchtigender Wirkungen wird begonnen, ihre Verwendung zu regulieren und zu beschränken. Wie bei den Farbstoffen setzt das aus Sicht der Kreisgruppe des BUND Naturschutz einen neuen Wettlauf zwischen der Entwicklung von Alternativen und deren Risikobewertung und Regulierung in Gang.
Zumindest für die wasserabweisende Wirkung wurden mittlerweile diverse fluorchemiefreie Alternativen für die Beschichtung von Textilien entwickelt, die bei Outdoorbekleidung für den Alltagsgebrauch ausreichend sind. Allerdings sind nicht alle alternativen Imprägniermittel, die zum Einsatz kommen, gesundheitlich unbedenklich. Darüber hinaus müssen wir als Verbraucher uns entscheiden, ob uns eine öl- und schmutzabweisende Ausrüstung wirklich wichtig genug ist, um die mit PFAS verbundenen Risiken einzugehen.
Weichmacher werden Kunststoffen zugesetzt, um ihnen bestimmte Gebrauchseigenschaften wie Elastizität oder Biegsamkeit zu verleihen. In Textilien können sie in plastischen Aufdrucken zum Einsatz kommen. Auch in dieser Stoffgruppe finden sich Chemikalien, die als leber- oder erbgutschädigend eingestuft und daher in ihrer Verwendung eingeschränkt sind.
Biozide, oft auf Basis zinnorganischer Verbindungen, finden sich in der textilen Ausrüstung von Socken um Sportkleidung um die Geruchsbildung durch Schweiß zu vermeiden. Sie wirken antibakteriell - unliebsame Folgen können neben allergischen Reaktionen die Beeinträchtigung der hauteigenen Bakterienflora sowie die Resistenzentwicklung von Krankheitserregern sein.
Darüber hinaus kommt bei der Produktion von Textilien eine Reihe von Salzen, Ölen, Säuren, Stärken, Kunstharzen, Bleich- und Lösungsmitteln, Tensiden etc. zum Einsatz. Sie sollen die Verarbeitung und das Färben der Textilfasern erleichtern. Bei sorgfältigem Vorgehen werden diese Stoffe ausgewaschen, bevor das Kleidungsstück in den Handel kommt. Sie sind damit aber nicht verschwunden: In den Abwässern der Betriebe steckt ein bunter Mix an Chemikalien. Eine Auswertung der Weltbank zeigt, dass bereits im Jahr 2006 etwa 21 % der Gewässerverschmutzung in China auf die Textilindustrie zurückzuführen sind. In der Türkei war es ein Drittel, in Pakistan sogar mehr als die Hälfte (56 %). Die Lage dürfte sich seither nicht grundlegend gebessert haben, denn für die Abwasserreinigung fehlt das Geld, wenn das T-Shirt für Cent-Beträge die Fabrik verlässt.
Es sei nochmals ausdrücklich gesagt, dass alle Regelungen zur Beschränkung der Verwendung umwelt- oder gesundheitsgefährdender Chemikalien nur für die Produktion innerhalb der EU gelten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) fordert: „Da der weit größte Teil der Bekleidungstextilien Importwaren aus Nicht-EU-Ländern sind und auch der Internethandel zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist es erforderlich, dass die gesetzlichen Regelungen das Endprodukt und nicht nur die Produktion betreffen.“ Dem hat die Kreisgruppe des BUND Naturschutz nichts hinzuzufügen.
Woran erkenne ich die Chemie?
Da alle diese Chemikalien nicht auf dem Etikett deklariert werden, müssen wir als Verbraucher aus den Werbebotschaften unsere Schlüsse ziehen:

  • Antibakteriell/„Anti-Smell“: Dahinter stecken Biozide. Besser ist es, Kleidung aus Modal oder Naturfasern wie Baumwolle für den Sport zu verwenden, verschwitzte Kleidung immer direkt  zu waschen und Gerüche in Schuhen gegebenenfalls mit Natron zu neutralisieren.
  • Anti-statisch: Tenside oder Polyacrylate sollen die elektrostatische Aufladung von Kunstfasern und das unangenehme Knistern beim An- und Ausziehen verhindern. Für Freizeitkleidung eignen sich natürliche und halbsynthetische Fasern – sie laden sich in der Regel weniger auf.
  • Fusselfrei/Anti-Pilling/Filzfrei: Künstliche Wachse, Weichmacher oder Kunstharz sollen die Bildung kleiner Knötchen auf der Oberfläche von Textilien verhindern. Besser wäre es, weniger und schonend zu waschen oder einen Fusselrasierer zu nutzen.
  • Kuschelweich: Öle, Fette oder Polymere sollen Pullover und Loungewear aus Kunstfasern wärmend, kratzfrei und weich machen. Natürlich weiche Fasern wie Alpaka- und Mohairwolle wären eine bessere Möglichkeit.
  • Pflegeleicht/knitterfrei: Kunstharze und Vernetzungsmittel mit oder ohne Formaldehyd sollen dafür sorgen, dass die Kleidung nach dem Waschen wenig bis gar nicht knittert, formstabil bleibt und schnell trocknet. Die Kreisgruppe empfiehlt schonend zu waschen, feucht in Form zu ziehen, hängend zu trocknen und das Bügeln in Kauf zu nehmen.
  • Separat waschen: Die Färbemittel sind nicht ausreichend mit der Faser verbunden und können „ausbluten“ – aber auch beim Tragen auf die Haut gelangen und Allergien auslösen. Kaufen Sie besser ein farbechtes Kleidungsstück.
  • „Used-Look“/„Stonewashed“: Die Zugabe von Bimsstein beim Waschen, chlorhaltige Bleichmittel oder Sandstrahlen führen zu einer oberflächlichen Beschädigung, die der Jeans das typische Aussehen verleiht. Alle Methoden belasten die Umwelt. Sandstrahlen gefährdet außerdem Gesundheit der Arbeiterinnen und Arbeiter. Wählen Sie besser eine einfarbige Jeans.
  • Wasser-, öl- und schmutzabweisend: Paraffine, Silikone und per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) machen Regenjacken, Matschhosen und Schuhe wasserabweisend und leicht zu reinigen. Achten Sie beim Kauf auf fluorfreie Imprägnierungen, erkennbar an Hinweisen wie „frei von PFCs“, „fluorfrei“ und „PFAS-frei“.

Was kann ich tun?
Viele chemischen Substanzen waschen sich mit der Zeit heraus. Secondhand-Kleidung enthält daher weniger chemische Stoffe. Achten Sie beim Kauf neuer Kleidung auf Siegel, die hohe Umwelt- und Sozialstandards zertifizieren. Orientierung gibt zum Beispiel die Seite „Siegelklarheit“ (https://www.siegelklarheit.de/). Unbedenkliche Stoffe sind auch an den Siegeln „Blauer Engel“ und „OEKO-TEX® STANDARD 100“ erkennbar.
Vermeiden Sie den Kauf stark riechender Textilien. Der Geruch kann auf Biozide, Formaldehyd oder Chloratrückstände hinweisen. Seien Sie vorsichtig bei Motiv-Drucken: Sie können bedenkliche Weichmacher oder polyzyklische Kohlenwasserstoffe (PAK) enthalten. Eine umwelt- und gesundheitsverträgliche Drucktechnik ist zum Beispiel der Siebdruck.
Werden spezielle Eigenschaften des Kleidungsstücks angepriesen, machen Sie sich klar, dass damit immer auch der Einsatz spezieller Chemikalien verbunden ist. Überlegen Sie sich, ob sie diese Eigenschaften wirklich brauchen.
Der wichtigste Rat bleibt aber, Kleidung vor dem ersten Tragen zu waschen.
Mehr lesen
Umfangreiche Informationen zu ökologischen und sozialen Aspekten der Textilindustrie enthält die Fallstudie zur globalen Umweltinanspruchnahme durch die Herstellung unserer Kleidung „KLEIDER mit HAKEN“ des Umweltbundesamts, die Sie hier herunterladen können.
Auch eine wissenschaftliche Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung hat das Bundesumweltamt veröffentlicht: „Ohne Chemikalien keine Textilien“ können Sie hier nachlesen.
Praktische Hinweise um Chemikalien hinter Werbebotschaften zu erkennen gibt die Verbraucherzentrale Hessen hier.


Flugmode – nicht (nur) für Stewardessen

Die Älteren von uns erinnern sich vielleicht noch an die zwei Samstage im späten Frühjahr und Herbst, an denen die ganze Familie in die Stadt gefahren ist, um Ersatz für die Kleidung zu kaufen, die kaputt ging oder aus der man in der einen oder anderen Richtung herausgewachsen war. Heute kauft jeder Deutsche im Durchschnitt 60 Stücke Oberbekleidung pro Jahr – also mehr als ein Stück pro Woche. Billig und viel kaufen, kurz oder nie tragen, schnell wegwerfen – so sollen wir mit Mode umgehen, wenn es nach den Vorstellungen von Konzernen wie Inditex oder Shein geht. 
In den letzten Jahren hat sich die Modewelt drastisch verändert. Immer günstigere Preise und ständig wechselnde Kollektionen sind zur Norm geworden. Marken wie Zara bringen bis zu 24 neue Kollektionen pro Jahr in die Läden. Die Marke gehört mit vielen anderen zum spanischen Konzern Inditex, Pionier und mit einem Jahresumsatz von über 32 Milliarden Euro (2022) Marktführer im Bereich Fast Fashion. Inditex rühmt sich, seine weltweit 5815 Shops (Stand Ende Januar 2023) zweimal die Woche mit neuen Kleidern zu beliefern. Design, Produktion und Auslieferung eines neuen Teils schaffen Marken wie Zara oder Pull & Bear in drei bis vier Wochen. Solche kurzen Produktions- und Lieferfristen machen es erst möglich, Modezyklen auf wenige Wochen zu verringern und Konsument*innen das Gefühl zu vermitteln, sie bräuchten ständig etwas Neues, um keinen Trend zu verpassen.
Denn darauf setzt die Verkaufsstrategie von Zara, die ein früherer Inditex-Manager vor Jahren so definiert hat: «Wir wollen, dass unsere Kundschaft versteht, dass sie etwas, was ihr gefällt, sofort kaufen muss, weil es nächste Woche vielleicht nicht mehr erhältlich ist. Das Angebot in den Läden muss immer knapp sein, sodass die Gelegenheit zum Kauf günstig erscheint.» Der chinesische Online-Gigant Shein bringt es sogar fertig, neue Kleidungsstücke innerhalb einer Woche vom Entwurf bis zur Auslieferung zu bringen. Täglich (!) erscheinen mehr als tausend neue Teile im Onlineshop.
Für diese Modezyklen ist eine Schiffsfracht der Billig-Klamotten, die von Asien bis Europa fünf bis sechs Wochen benötigt viel zu langsam – nur das Flugzeug ist schnell genug. 2022 hat allein die EU laut ihrer Handelsstatistik per Flugzeug 387'009 Tonnen Kleidung, Textilien und Schuhe importiert und 346'778 Tonnen exportiert. Das entspricht der Ladekapazität von 7000 bis 7500 grossen Frachtflugzeugen, also rund 20 reinen Modefrachtflügen pro Tag. Unabhängig vom Ort der Produktion landen bei Inditex praktisch alle Artikel in den grossen Verteilzentren, die der Konzern rund um den spanischen Flughafen Zaragoza betreibt. Das Aushängeschild ist das zentrale Logistikzentrum Plaza in der Nähe des Flughafens Zaragoza; es funktioniert im Vierschichtbetrieb, 360 Tage im Jahr. In Zaragoza werden für Inditex jede Woche rund 32 Frachtflüge mit rund 100 Tonnen Kleidern an Bord abgefertigt. Das sind weit über 1600 Flugbewegungen pro Jahr. 
Selbst innerhalb der EU wird Mode geflogen, wenn das Zielland mit dem LKW nicht schnell genug erreicht werden kann: 2022 waren es mindestens 42'658 Tonnen - da Waren EU-intern nicht verzollt werden, sind die Statistiken hier lückenhaft. Inditex setzt sich für den Landtransport eine Grenze von maximal 36 Stunden. Ist die Fahrzeit länger, fliegt die Ware in Passagierflügen mit. Am Flughafen Barcelona beispielsweise sorgt die Modebranche seit Jahren für die grössten Frachtvolumen.
Bei jener Flugmode, die nicht an Verteilzentren, sondern in Form von Einzelpaketen direkt an Konsument*innen versandt wird, ist die Datenlage schlecht. Der Onlinehändler Shein etwa verschickt gewaltige Mengen Mode direkt aus China per Luftpost an die Privathaushalte in aller Welt, doch die Handelsstatistiken sind bei solchen Kleinwarensendungen leider unscharf.
Im Durchschnitt der Modeindustrie machen Transporte gemäss einer Studie der Schweizer Umweltberatungsfirma Quantis im Durchschnitt rund 3 % der Treibhausgasemissionen aus; der weitaus grösste Teil entfällt auf die Produktion der Rohstoffe und deren Verarbeitung. Doch bei Flugmode steigt der Anteil des Transports drastisch: Die transportbezogenen Treibhausgasemissionen eines mit Luftfracht transportierten Kleidungsstücks sind rund 14-mal höher als bei einem Teil, das überwiegend per Seefracht transportiert wurde. In absoluten Zahlen: Für den Transport eines Langarm-Shirts von Bangladesh nach Spanien steigt der CO2-Fußabdruck von 0,29 kg auf stolze 4 kg. Daher liegt der Transportanteil der Treibhausgasemissionen beim Zara-Konzern laut Geschäftsbericht 2021 bei 10,6 %; 2022, nach dem Wegfall des Russlandgeschäfts, immer noch über 8 %. Inditex scheint die Problematik der klimaschädlichen Flugtransporte verbergen zu wollen: Im Jahresbericht 2022 schreibt das Unternehmen bezüglich der Emissionen nur vage von einer «Überprüfung der Transporte» und einer «Suche nach alternativen Transportmitteln». Die Maßnahmen zur Reduktion des ökologischen Fußabdrucks fokussieren auf andere Bereiche der Wertschöpfungskette, etwa die Reduzierung des Wasserverbrauchs.
Flugmode begünstigt das Aufteilen in kleine Teilaufträge. Die Modekonzerne prüfen erst mal, wie Artikel bei der Kundschaft ankommen. Jene, die gut laufen, werden in raschem Tempo nachbestellt und, wenn es besonders eilig ist, eingeflogen. Läuft ein Artikel nicht, bleiben die Folgeaufträge aus. Besonders drastisch ist dieses Produktionsmodell bei Ultra-fast-Fashion-Unternehmen wie Shein, wo Bestellungen von lediglich 100 bis 150 Kleidungsstücken häufig vorkommen und von den Fabriken erwartet wird, große Stückzahlen in wenigen Tagen nachliefern zu können. 75-Stunden-Wochen für die Näher*innen sind die Folge.
Während Unternehmen wie Inditex und Shein von vornherein mit Luftfracht planen und die Kapazitäten dafür auch selbst organisieren, führen in anderen Fällen unfaire Vertragsbedingungen zu ungeplanten Flugtransporten. Einige Modefirmen verhandeln so kurze Lieferfristen, dass praktisch keine Zeitreserven bleiben, falls nach Musterkontrolle noch Änderungswünsche kommen, die Produktionsfreigabe verzögert wird oder Material nicht rasch verfügbar ist. Die von den Bestellern vorgegebenen Lieferbedingungen sehen oft hohe Vertragsstrafen vor, sobald das vereinbarte Lieferfenster nicht eingehalten wird. Um nicht noch mehr Geld zu verlieren, wechseln Lieferanten unter Druck auf Luftfracht, und das auf eigene Kosten.
Nach Ansicht der Kreisgruppe des BUND Naturschutz muss Luftfracht auf wirklich wichtige Dinge wie Medikamente oder dringend benötigte Ersatzteile reduziert werden. Mode gehört da definitiv nicht dazu: Mode um die halbe Welt zu fliegen, ist angesichts der Klimakrise eine völlig unnötige Belastung unserer Umwelt.
Mode käme auch ohne Luftfracht weiterhin in die Läden. Ja, die Modetrends bräuchten ein paar Wochen länger, bis sie in den Auslagen landen. Das wäre aber kein Verlust, sondern eine Chance für bewussteren Konsum und langlebigere Designs. Lassen wir uns von den Modekonzernen nicht länger manipulieren und für dumm verkaufen. Wir sind nicht darauf angewiesen, jedem von ihnen im Wochenrhythmus hinausposaunten Modetrend sofort zu folgen – auch nächste Woche wird es wieder einen neuen Modetrend geben.
Mehr lesen:
Die Daten zur Luftfracht stammen aus Recherchen des Schweizer Vereins Public Eye. Die Veröffentlichung finden Sie hier.

Eine repräsentative Umfrage zu Kaufverhalten, Tragedauer und Nutzung der Alternativen zum Neukauf von Mode wurde von Greenpeace erstmals 2015 durchgeführt und 2022 wiederholt. Sie ist hier zu finden.