Waldsterben 2.0
Vor 40 Jahren wurde auch für Laien deutlich, dass im deutschen Wald etwas nicht stimmte. Nadelbäume waren nicht mehr saftig grün sondern sahen aus wie der Weihnachtsbaum im Februar. Aktivist*innen malten weiße Kreuze an Bäume entlang der Straßen durch den Wald. Bilder von großen Flächen toter, bleicher Bäume in den Kammlagen der Mittelgebirge schreckten die Bürger*innen auf. Die damalige offizielle Bezeichnung „neuartige Waldschäden“ wurde als beschönigend empfunden und im Sprachgebrauch durch „Waldsterben“ ersetzt.
Ursache waren damals Schadstoffemissionen, insbesondere von Schwefeldioxid, die als saurer Regen wieder zurück kamen und die Blätter verätzten. Die „Politik der hohen Schornsteine“, die auf eine bloße Verdünnung und Verfrachtung setzte, musste ihr Scheitern eingestehen. Nach der verpflichtenden Einführung von Katalysatoren für Autos und Entschwefelungsanlagen für Kraftwerke konnte sich der Wald wieder erholen.
In den letzten Jahren kam es aber zu einer erneuten und dramatischen Verschlechterung. Es sind größere Flächen betroffen als auf dem Höhepunkt des Waldsterbens in den achtziger Jahren. Nach Angaben des Bunds deutscher Forstleute sind in den letzten zwei Jahren schon weit über 100 Millionen Altbäume in Deutschland abgestorben. Dazu kommen mehrere Millionen Setzlinge und Jungbäume. Der BUND Naturschutz spricht daher vom „Waldsterben 2.0“. Allerdings handelt es sich diesmal um kein Problem, das wie damals mit technischen Maßnahmen an einer Stelle relativ rasch gelöst werden könnte.
Denn diesmal geht es um den Klimawandel!
Plakativer Ausdruck des Klimawandels ist die globale Erwärmung, die Diskussion um ein Klimaziel von 1,5° oder 2,0° Erwärmung ist Thema der Klimagipfel und Demonstrationen. Für unseren Wald aber vielleicht noch entscheidender ist die damit verbundene Frage nach Menge und zeitlicher Verteilung der Niederschläge.
Was die Schulkinder freut, trockene Sommer mit Badewetter und Hitzefrei, ist für den Wald Stress. Die Vitalität der Bäume hängt in zweifacher Hinsicht davon ab, dass sie über ihre Wurzeln genügend Wasser aufnehmen können: Für die Photosynthese und für die Produktion von Baumharz wird Wasser verbraucht. Ohne Wasser ist der Baum schlecht ernährt und kann sich schlecht gegen eindringende Schädlinge schützen.
Landkreis Traunstein
Unser Landkreis ist im Vergleich zu Nordbayern oder den neuen Bundesländern noch relativ wenig betroffen, da wir im Nordstau der Alpen ein relativ niederschlagsreiches Gebiet sind. Die Veränderungen finden aber auch hier statt und sind für uns wahrnehmbar. Die Niederschlagsmenge geht zurück und konzentriert sich auf wenige Monate und Starkregenereignisse. Insbesondere Frühjahr und Herbst werden trockener. Schneeschmelze und anhaltender Landregen, die den Boden gut durchtränken, fehlen uns, die Niederschläge laufen schneller oberflächlich ab.
Besonders betroffen ist bei uns die Fichte. Milde Winter lassen mehr Borkenkäfer überleben, ein trockenes und warmes Frühjahr führt zu einer dritten Generation. Noch nicht aufgearbeiteter Schneebruch im Wald bietet zusätzliche Bruträume. Käferholz überschwemmt den Markt, der Preis für Fichtenholz ist in den letzten Jahren auf nicht einmal die Hälfte gefallen. Die Aufarbeitung von Schadflächen ist unwirtschaftlich. Lohnunternehmer, die die Arbeit übernehmen, sind kaum noch zu bekommen. Viele Waldbesitzer resignieren.
Als Alternativen zu den besonders gefährdeten Baumarten gelten Eichen, Buchen und Weißtannen, die eine moderate Erwärmung verkraften würden. Forstwissenschaftler*innen experimentieren inzwischen mit Baumarten wie der Roteiche, Douglasie oder Küstentanne. Sie stammen aus Gebieten, in denen schon heute ein Klima herrscht, wie es für Deutschland in 50 oder 100 Jahren vorhergesagt ist. Der BUND Naturschutz steht dem allerdings kritisch gegenüber. Das Einbringen fremder Arten in ein Ökosystem ist immer ein Risiko. In labilen Nadelwäldern sollte mehr auf heimische eine Vielfalt an heimischen Baumarten gesetzt und mehr Totholz und mehr Holzbiomasse für die Artenvielfalt und den wichtigen Humusaufbau belassen werden.
Wir brauchen mehr Klimaschutz für unsere Wälder und wir brauchen unsere Wälder in der Klimakrise. Die „Grünen Lungen“ rund um unsere Städte sind überlebensnotwendig für die Menschen in Zeiten von sommerlichen Hitzerekorden und wochenlangen Trockenperioden. Rodungen von Wäldern für Gewebegebiete, Straßenbau oder Freizeiteinrichtungen müssen für den Klimaschutz, den Artenschutz und für die Gesundheit der Bevölkerung verhindert werden.