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Kein Baum ohne Pilz!

Unsere Wälder sind mehr als nur eine Anzahl nebeneinander gestellter Bäume. Sie sind Lebensräume, in denen die Lebewesen in vielfältigen Beziehungen zueinander stehen. Dazu gehören auch die Beziehungen zwischen Bäumen und Pilzen. Was bedeutet es für den Wald, wenn die Biodiversität der Pilze zurück geht?

Wir alle freuen uns, wenn wir bei einem Spaziergang im Wald einen Pilz entdecken. Dabei ist das, was wir sehen, nur „die Spitze des Eisbergs“, nämlich der Fruchtkörper. Der größte Teil des Pilzes bleibt für uns unsichtbar im Boden verborgen und bildet dort ein watteartiges Geflecht von Pilzfäden (Pilzmycel). Pilzmycelien können sich über große Flächen erstrecken, Tonnen an Gewicht erreichen und über tausend Jahre alt werden.

Pilze erfüllen wichtige Aufgaben im Wald: Streu- und holzabbauende Pilze helfen mit, Blätter, Nadeln und Holz abzubauen und deren Inhaltsstoffe wieder in den Nährstoffkreislauf zurückzuführen. Ebenso wichtig für das Ökosystem sind aber diejenigen Pilze, die mit Waldbäumen in einer engen Lebensgemeinschaft leben, die sogenannten Mykorrhizapilze.

Als Mykorrhiza (altgr. μύκης mýkēs ‚Pilz‘ und ῥίζα rhiza ‚Wurzel‘) wird eine Lebensgemeinschaft von Pilzen und Pflanzen bezeichnet, bei der ein Pilz mit dem Feinwurzelsystem einer Pflanze in Kontakt ist. Dabei verändert sich das Aussehen: der Pilz hüllt die äußersten, feinsten Wurzeln mit seinem Mycel ein. Als Reaktion schwellen die Wurzelenden an und entwickeln keine Wurzelhaare mehr. Die Pilzfäden wachsen auch in die Wurzelrinde hinein, dringen aber nicht in die Wurzelzellen ein. Sie übernehmen die Aufgabe der fehlenden Wurzelhaare. Die Durchdringung des Bodens durch die Pilzfäden, welche von der Mykorrhiza aus in den Boden ausstrahlen, ist um ein Vielfaches intensiver als durch die Wurzelhaare, sodass eine gute und umfangreiche Nährstoff- und Wasseraufnahme der Pflanze sichergestellt ist.

Etwa ein Drittel der in unseren Wäldern wachsenden Großpilze sind Mykorrhizapilze. Unter diesen rund 2000 Arten befindet sich bekannte Namen wie Steinpilz, Maronenröhrling, Fliegen- oder Knollenblätterpilz. Viele davon sind an bestimmte Baumarten oder an Nadel- oder Laubwälder gebunden. Im Wurzelwerk eines einzigen Baumes leben in der Regel mehrere verschiedene Arten nebeneinander und ihre Zusammensetzung ändert sich mit dem Alter des Baumes.

Die Mykorrhizapilze können die benötigten Kohlehydrate nicht selbst herstellen. Sie werden vom Baum mit Zucker versorgt. Umgekehrt versorgt der Pilz den Baum mit Wasser und gelösten Mineralstoffen. Etwa ein Viertel des durch die Photosynthese gebildeten Zuckers gibt der Baum an die Pilze ab. Von den drei anorganischen Haupt-Nährstoffen Stickstoff, Phosphat und Kalium der Pflanzen ist besonders das Phosphat häufig der limitierende Faktor, weil es nicht frei gelöst verfügbar ist und nicht aktiv aufgenommen werden kann. In humosen Böden wie den Waldböden ist das Phosphat größtenteils organisch gebunden. Hier kommt die besondere Fähigkeit der Mykorrhizapilze ins Spiel, Phosphat aus solchen organischen Verbindungen freizusetzen: Waldbäume bilden mykorrhizierte Wurzelgeflechte direkt unter der Laubschicht am Erdboden und decken auf diese Weise den Großteil ihres Phosphat-Bedarfs.

Wurzelsystem und Pilzmycel schaffen zusammen einen Bereich des Bodens, in der sich die Lebensbedingungen von denen in der Umgebung unterscheiden; so ist dieser Bereich fast immer reicher an Mikroorganismen als die übrigen Bodenregionen.

Darüber hinaus zeigt sich, dass der Pilzmantel auch einen Schutz vor dem Eindringen von schädlichen Bakterien oder parasitischen Erdpilzen (Hallimasch, Wurzelfäule, Phytophthora u.a.) bietet.

Zwischen dieser Lebensgemeinschaft zum gegenseitigen Nutzen von Baum und Pilz und einer parasitären Gemeinschaft, in der nur der Pilz oder nur der Baum Nutzen zieht, existieren alle Abstufungen. In jedem Fall besteht aber eine Abhängigkeit und ein Rückgang der Arten und Individuen bei den Pilzen bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Bäume.


Rückgang der Pilze

Quantitative Aussagen über einen Rückgang der Pilze sind schwer zu gewinnen. Wir können nur die sichtbaren Fruchtkörper zählen, aber ob ein Pilz einen Fruchtkörper ausbildet oder nicht, hängt von vielen Faktoren ab. Dass der Pilz von seinem Baum oder seinen Bäumen gut ernährt wird, ist eine Voraussetzung. Eine Untersuchung in der Schweiz über 32 Jahre zeigte, dass rund ein Viertel der Arten in diesem Zeitraum nur in einem einzigen Jahr durch Fruchtkörper sichtbar wurde und nur ein Prozent der Arten in jedem Jahr Fruchtkörper bildete.

Seit den 1980er Jahren wird beobachtet, dass die Mykorrhizapilze sowohl nach der Anzahl der Arten als auch der Individuen deutlich abnehmen. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der in Studien erfassten Fruchtkörper hat sich etwa halbiert, ihr Anteil an den Arten ist von rund 75% auf rund 60% gesunken. Diese Abnahme wird als Folge von Umweltveränderungen wie erhöhtem Stickstoffeintrag und Bodenversauerung gesehen.

In den stark stickstoffbelasteten Gebieten in den Niederlanden wurde in den 1980er Jahren ein drastischer Rückgang der Mykorrhizapilze festgestellt. Dabei zieht sich auch das Pilzmycel zurück und vermag die Baumwurzeln nicht mehr zu besiedeln, wie Experimente gezeigt haben. Dies ist eine ernst zu nehmende Entwicklung, deren Folgen für den Wald heute kaum abschätzbar sind. Die meisten Pilze erholen sich wieder, wenn die Stickstoffeinträge zurückgehen. Dies kann heute im Süden der Niederlande beobachten werden, seit wirksame Massnahmen zur Reduktion der Stickstoffemissionen ergriffen wurden.

Mykorrhizapilze bevorzugen leicht saure Böden; pH-Werte zwischen 4,0 und 5,0 sind optimal. Oberhalb von pH 7 können sie nicht existieren. In Calcium-reichen Böden (z.B. in Kalkbuchenwäldern) sind Mykorrhizen schlecht ausgebildet. Durch die Kalkung von Waldböden wird der pH-Wert lokal drastisch erhöht, was wiederum zu erheblichen Schäden der Mykorrhizapilze und sekundär zu weiteren Schäden der Waldbäume führen kann.

Pilze scheinen sehr widerstandsfähig gegenüber Trockenperioden zu sein. Pilzmycelien können längere Trockenperioden im Boden unbeschadet überdauern, nur die Fruchtkörperbildung wird reduziert oder eingestellt. Mehrere Studien zeigen jedoch, dass die Veränderung der klimatischen Bedingungen die Pilzflora langfristig beeinflusst.

Beispielsweise beginnt in Grossbritannien seit den 1950er Jahren die Pilzsaison früher und endet später. Zudem fruktifizieren einzelne Pilzarten seit Mitte der 1980er Jahre zweimal im Jahr statt wie bisher nur einmal. Für die Ausbildung der Fruchtkörper sind die Pilze auf eine gute Versorgung mit Kohlenhydraten durch den Baum angewiesen. Die meisten Pilze bilden ihre Fruchtkörper im Spätsommer, also in einer Zeit, in welcher der Baum sein Wachstum weitgehend abgeschlossen hat und der Eigenbedarf an Kohlenhydraten sinkt. Die produzierten Kohlenhydrate stehen dann vermehrt den Mykorrhizapilzen zur Verfügung. Die Veränderungen der Pilzsaison könnten auch Hinweise auf Veränderungen in den Wachstumsphasen der Bäume geben.


Und die Bäume?

Soviel vorweg: Einfache kausale Zusammenhänge zwischen der Mykorrhizadiversität und dem Baumzustand konnten bisher nicht schlüssig nachgewiesen werden. Andererseits liegt es bei der geschilderten wechselseitigen engen Abhängigkeit auf der Hand, dass eine Verschlechterung des Zustands der Mykorrhiza nicht ohne Folgen für die Bäume bleiben wird.

Pflanzen mit Mykorrhizen weisen oft erhöhte Konzentrationen an Stickstoff und Phosphor im Gewebe auf, sie sind also besser versorgt. Im weiteren bewirkt die Bildung von Phytohormonen (z.B. Auxin, Gibberellin, Zytokinin, Ethylen) durch die Mykorrhizapilze eine Förderung des Pflanzenwachstums. Unter kontrollierten Bedingungen ließ sich im Experiment belegen, dass Keimlinge in steriler Erde wesentlich schlechter gediehen als jene mit Mykorrhizapilzen.

Das Pilzmycel erfasst meist mehrere benachbarte Bäume und sorgt so für eine Verteilung von Nährstoffen zwischen diesen Bäumen. Damit können ausgewachsene Bäume den Jungwuchs in ihrem Schatten mit versorgen.

Die Mykorrhiza verbessert auch die Wasserversorgung der Bäume, sie erhöht die Trockenresistenz der Pflanzen, was bei der gegenwärtigen Veränderung der Niederschläge ein großer Vorteil ist. Die Bildung von pilzspezifischen Zuckerarten wie Mannitol oder Arabitol führt zu einer erhöhten Toleranz der mykorrhizierten Wurzeln gegenüber Frost.

Mykorrhizen können die Bäume auch vor toxischen Effekten von Schadstoffen wie Schwermetallen und radioaktiven Isotopen schützen. Mykorrhizapilze erweisen sich zum Teil als erstaunlich robust gegenüber erhöhten Schwermetallgehalten im Boden. Sie können Schwermetalle, radioaktive Cäsiumisotope oder auch Aluminium im Pilzmycel binden und wirken wie ein Filter vor der Wurzel. Der Nachteil ist, dass diese Stoffe in den Pilzfruchtkörpern angereichert werden, und dies kann zu gesundheitsgefährdenden Konzentrationen in Speisepilzen führen.

Antibiotikabildung und Induktion der Gerbstoffbildung in den Wurzeln sowie die Förderung einer günstigen Mikrobenfauna im Pilzmantel bewirken zudem eine erhöhte Abwehrkraft gegenüber krankheitserregenden Bodenorganismen.

Die Frage, ob ein Wald ohne Mykorrhizapilze leben könnte, ist heute nicht ohne weiteres zu beantworten. In unseren Wäldern gibt es zum Glück noch immer genügend Mykorrhizapilze. Uns fehlen Kenntnisse über die funktionelle Diversität von Mykorrhizapilzen: welche Arten sind funktionell für den assoziierten Baum wichtig, welche weniger oder gar nicht? Was leisten die einzelnen Pilzarten unter bestimmten Stresssituationen? Sicher ist jedoch, dass auf nährstoffarmen Böden Waldbäume ohne Mykorrhizapilze kaum fähig wären, mineralische Nährstoffe in genügender Menge aufzunehmen, dass Waldbäume ohne Mykorrhizapilze chancenlos sind in der Abwehr von pathogenen Erregern im Wurzelbereich und insgesamt anfälliger werden gegenüber Stress, zum Beispiel gegenüber Trockenheit und Frost und schädlichen Umwelteinflüssen. Es ist anzunehmen, dass unsere Wälder ohne Mykorrhizapilze ganz anders aussehen würden.


Was können wir tun?

Seit Jahrzehnten steigen die durch Aktivitäten des Menschen verursachten Emissionen von Luftschadstoffen und damit auch die Einträge von Säuren und Stickstoff in die Wälder. Pro Hektar und Jahr werden Bayern etwa 8 bis 38 kg Stickstoff atmosphärisch eingetragen, aus Landwirtschaft, Industrie, Heizungen und Verkehr. Diese führt zu einer durchschnittlichen Anreicherung von 6 kg Stickstoff pro Hektar und Jahr im Waldboden. Die Stickstoffüberdüngung der Wälder schreitet also weiter voran. Die Einträge aus der Luft können trotz günstiger Wachstumseffekte nicht mehr verwertet werden, die Risiken der Eutrophierung nehmen zu. Eine Verringerung dieser Emissionen ist für die Erhaltung der Biodiversität bei den Mykorrhizapilzen wie in so vielen anderen Bereichen dringend geboten und eine langjährige Forderung des BUND Naturschutz an Politik, Landwirtschaft, Industrie und alle Bürger.

Mit waldbaulichen Maßnahmen kann die Pilzflora positiv beeinflusst werden. Eine Durchforstung zu dicht bestockter Bestände fördert die Mykorrhizapilze. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass die Kronen der verbleibenden Bäume nun mehr Platz zur Verfügung hatten und mit einem Wachstumsschub reagierten. Möglicherweise sind die während Jahren darbenden Pilzmycelien im Boden dadurch wieder mit neuer Energie in Form von Kohlenhydraten versorgt und zur Fruchtkörperbildung angeregt worden. Die Entwicklung artenreicher Mischwälder fördert die Artenvielfalt der Mykorrhizapilze, jede Baumart bringt ihr eigenes Set an Pilzarten mit.

Was tun nach Sturmschäden? Bei der Räumung von Windwurflächen sollten die noch verbleibenden Jungpflanzen besonders geschont werden. Sie sind Refugium für Mykorrhizapilze, die ihre Baumpartner verloren haben und helfen mit, diese in die neue Baumgeneration hinüberzuretten.


Weiterführende Informationen

Das Internet hält heute unter dem Suchbegriff „Mykorrhiza“ eine Vielzahl von Seiten und Informationen bereit. Vieles davon bezieht sich auf die Mykorrhiza von landwirtschaftlichen Nutzpflanzen und die langfristige Sicherung ihrer Versorgung mit Phosphor, wenn die mineralischen Phosphorquellen sich in nicht allzu ferner Zukunft erschöpfen. Die hier beschriebene Lebensgemeinschaft von Bäumen und Pilzen trifft natürlich auch auf andere Pflanzen zu.

Unter den Artikeln, die sich speziell mit der Mykorrhiza von Waldbäumen beschäftigen, seien die Publikationen der WSL Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft hervorgehoben:

  • Mykorrhiza - Eine faszinierende Lebensgemeinschaft im Wald, Merkblatt für die Praxis 35 (2011)

  • Mykorrhizapilze auf dem Rückzug – was bedeutet das für den Wald?

Beide Artikel verweisen auf eine Sammlung wissenschaftlicher Originalarbeiten und beinhalten sehr gutes Bildmaterial.

Zum Stickstoffeintrag sei auf den Bericht „Stickstoffeintrag in die Biosphäre“der Bundesregierung und den Artikel „Stickstoff im Überfluss“ (LWF-aktuell 117) verwiesen.