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Natur & Garten

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Bunt und flauschig aber giftig?

Kleidung in leuchtenden Farben war auch früher begehrt und lange Zeit ein Statussymbol der Reichen und Mächtigen. Das Handwerk des Färbers war dagegen schon immer umweltbelastend und gering geschätzt. Die Lage der Straße „Am Färbergraben“ in Münchens mittelalterlichem Stadtplan erinnert daran bis heute. Heute geht es bei der Textilveredelung immer noch um Farbe, aber auch um viele andere Eigenschaften und einen Cocktail von etwa 2000 Chemikalien.
 

2000

Chemikalien

werden in der Textilindustrie eingesetzt

Das Umweltbundesamt beschreibt einen Besuch in einer Textilfärberei so: „Es ist meist heiß, nass und stickig. Ein Mix aus Chemikalien steigt in die Nase. In riesigen Waschtrommeln werden die Stoffbahnen bei Temperaturen von 80-90°C gewaschen, gebleicht, gefärbt, ausgerüstet, d.h. mit Chemikalien für Knitterfreiheit, besondere Geschmeidigkeit o.ä. versehen. In der LKW-großen Färbemaschine durchläuft der Baumwollstoff etwa 5-8 Spülvorgänge. Nach jedem Spülvorgang muss das Brauchwasser abgeführt und neues Wasser zugeführt werden, da jeder Prozess bestimmte Chemikalien benötigt. Das Ganze dauert 6 bis 12 Stunden.“ Selbst wenn das Abwasser überhaupt eine unseren Standards vergleichbare Kläranlage durchläuft - viele der verwendeten Chemikalien können in den Reinigungsstufen einer Kläranlage gar nicht abgebaut werden. Aber wie so oft gilt: Aus den Augen aus dem Sinn. Weil diese Arbeitsschritte bei Fast Fashion irgendwo anders auf der Welt und nicht mehr an der Stadtmauer stattfinden, gibt es nur wenig Problembewusstsein. Dabei hätten wir allen Grund misstrauisch zu sein. Schließlich hat unsere Haut fast den ganzen Tag Kontakt zu unserer Kleidung. Regelungen der Europäischen Union zur Verwendung von Chemikalien, insbesondere die REACH-Verordnung (europäische Verordnung zur Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien), setzen zumindest dann strenge Grenzwerte, wenn ein begründeter Verdacht gesundheits- oder umweltgefährdender Wirkungen besteht. Diese Grenzwerte betreffen aber nur Produktionsschritte innerhalb der EU. Was in Bangladesch, China oder anderswo produziert wird, wird von diesen Regelungen nicht erfasst. Um es ganz klar zu sagen: Für den Import von Textilien und Lederwaren gibt es zwar die lakonische Bestimmung, dass sie nicht gesundheitsschädlich sein dürfen, aber keine Grenzwerte und keine Kontrollen auf Schadstoffe.
Bei Kosmetika müssen alle Inhaltsstoffe angegeben werden, auch wenn viele Verbraucher mit den Namen oder Kürzeln der Chemikalien nichts anfangen können. Aber wer an Allergien leidet, kann die Liste mit seinem Allergiepass abgleichen und eine bewusste Kaufentscheidung treffen. Bei Textilien fehlt diesbezüglich jegliche Transparenz. Auf dem Etikett müssen nur die Anteile der verschiedenen Textilfasern angegeben werden. Was von den erwähnten 2000 Chemikalien sonst noch verwendet wurde, bleibt unerwähnt. Und die Entwicklung geht weiter: Fast Fashion drückt praktisch im Wochenrhythmus neue Kollektionen in den Markt. Kleine Veränderungen der Schnitte heben diese nicht deutlich von ihren Vorgängern ab und die Anzahl grundlegender Variationsmöglichkeiten ist begrenzt: Für Hosen mit drei Beinen wird sich kein Markt finden. Farbe ist dagegen ein wichtiges Erkennungsmerkmal, das erste, das wir im Laden oder Internet von einem Kleidungsstück wahrnehmen. Dadurch entsteht eine Nachfrage nach immer neuen Farbstoffen, die die chemische Industrie entwickeln soll. Die Zyklen, in denen diese auf den Markt gebracht werden, verkürzen sich parallel zu den Zyklen der Modeindustrie.

Farben, Weichmacher, Biozide und mehr

stellen die größte Gruppe der Textilfarbstoffe dar. Sie sind preiswert, einfach herzustellen und weisen eine große Farbvielfalt auf. Sie sind aber nicht unbedingt sehr beständig, sondern können auch biochemisch durch Enzyme an der Hautoberfläche gespalten werden. Etliche der dabei entstehenden Bruchstücke begünstigen die Entstehung von Krebs oder können das Erbgut schädigen und sind daher seit 30 Jahren für die Verwendung in Textilien und Ledererzeugnissen mit direktem und längerem Kontakt mit der Haut verboten. Damit sind einige Hundert der derzeit bekannten Azofarbstoffe für die Verwendung in Textilien quasi verboten. Trotzdem gibt es noch mehrere Hundert Azofarbstoffe, die zur Textilfärbung eingesetzt werden können, und es werden beständig weitere Azofarbstoffe neu entwickelt. Andere Farbstoffe können auf Metallen wie Kupfer oder Chrom basieren.

kommen aufgrund ihrer wasser-, fett- und schmutzabweisenden Wirkung in vielen Bereichen, unter anderem auch in Outdoor- und Arbeitsbekleidung zum Einsatz. Sie breiten sich in unserer Umwelt leicht aus aber können dort praktisch nicht abgebaut werden. Deswegen und aufgrund krebserregender oder die Fruchtbarkeit beeinträchtigender Wirkungen wird begonnen, ihre Verwendung zu regulieren und zu beschränken. Wie bei den Farbstoffen setzt das aus Sicht der Kreisgruppe des BUND Naturschutz einen neuen Wettlauf zwischen der Entwicklung von Alternativen und deren Risikobewertung und Regulierung in Gang. Zumindest für die wasserabweisende Wirkung wurden mittlerweile diverse fluorchemiefreie Alternativen für die Beschichtung von Textilien entwickelt, die bei Outdoorbekleidung für den Alltagsgebrauch ausreichend sind. Allerdings sind nicht alle alternativen Imprägniermittel, die zum Einsatz kommen, gesundheitlich unbedenklich. Darüber hinaus müssen wir als Verbraucher uns entscheiden, ob uns eine öl- und schmutzabweisende Ausrüstung wirklich wichtig genug ist, um die mit PFAS verbundenen Risiken einzugehen.

werden Kunststoffen zugesetzt, um ihnen bestimmte Gebrauchseigenschaften wie Elastizität oder Biegsamkeit zu verleihen. In Textilien können sie in plastischen Aufdrucken zum Einsatz kommen. Auch in dieser Stoffgruppe finden sich Chemikalien, die als leber- oder erbgutschädigend eingestuft und daher in ihrer Verwendung eingeschränkt sind. Biozide, oft auf Basis zinnorganischer Verbindungen, finden sich in der textilen Ausrüstung von Socken um Sportkleidung um die Geruchsbildung durch Schweiß zu vermeiden. Sie wirken antibakteriell - unliebsame Folgen können neben allergischen Reaktionen die Beeinträchtigung der hauteigenen Bakterienflora sowie die Resistenzentwicklung von Krankheitserregern sein.

Darüber hinaus kommt bei der Produktion von Textilien eine Reihe von Salzen, Ölen, Säuren, Stärken, Kunstharzen, Bleich- und Lösungsmitteln, Tensiden etc. zum Einsatz. Sie sollen die Verarbeitung und das Färben der Textilfasern erleichtern. Bei sorgfältigem Vorgehen werden diese Stoffe ausgewaschen, bevor das Kleidungsstück in den Handel kommt. 

China

21 %

der Gewässerverschmutzung ist auf die Textilindustrie zurückzuführen

Türkei

33 %

der Gewässerverschmutzung ist auf die Textilindustrie zurückzuführen

Pakistan

56 %

der Gewässerverschmutzung ist auf die Textilindustrie zurückzuführen

Sie sind damit aber nicht verschwunden: In den Abwässern der Betriebe steckt ein bunter Mix an Chemikalien. Eine Auswertung der Weltbank zeigt, dass bereits im Jahr 2006 etwa 21 % der Gewässerverschmutzung in China auf die Textilindustrie zurückzuführen sind. In der Türkei war es ein Drittel, in Pakistan sogar mehr als die Hälfte (56 %). Die Lage dürfte sich seither nicht grundlegend gebessert haben, denn für die Abwasserreinigung fehlt das Geld, wenn das T-Shirt für Cent-Beträge die Fabrik verlässt. Es sei nochmals ausdrücklich gesagt, dass alle Regelungen zur Beschränkung der Verwendung umwelt- oder gesundheitsgefährdender Chemikalien nur für die Produktion innerhalb der EU gelten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) fordert: „Da der weit größte Teil der Bekleidungstextilien Importwaren aus Nicht-EU-Ländern sind und auch der Internethandel zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist es erforderlich, dass die gesetzlichen Regelungen das Endprodukt und nicht nur die Produktion betreffen.“ Dem hat die Kreisgruppe des BUND Naturschutz nichts hinzuzufügen.

Woran erkenne ich die Chemie?
Da alle diese Chemikalien nicht auf dem Etikett deklariert werden, müssen wir als Verbraucher aus den Werbebotschaften unsere Schlüsse ziehen:

  • Antibakteriell/„Anti-Smell“: Dahinter stecken Biozide. Besser ist es, Kleidung aus Modal oder Naturfasern wie Baumwolle für den Sport zu verwenden, verschwitzte Kleidung immer direkt  zu waschen und Gerüche in Schuhen gegebenenfalls mit Natron zu neutralisieren.
  • Anti-statisch: Tenside oder Polyacrylate sollen die elektrostatische Aufladung von Kunstfasern und das unangenehme Knistern beim An- und Ausziehen verhindern. Für Freizeitkleidung eignen sich natürliche und halbsynthetische Fasern – sie laden sich in der Regel weniger auf.
  • Fusselfrei/Anti-Pilling/Filzfrei: Künstliche Wachse, Weichmacher oder Kunstharz sollen die Bildung kleiner Knötchen auf der Oberfläche von Textilien verhindern. Besser wäre es, weniger und schonend zu waschen oder einen Fusselrasierer zu nutzen.
  • Kuschelweich: Öle, Fette oder Polymere sollen Pullover und Loungewear aus Kunstfasern wärmend, kratzfrei und weich machen. Natürlich weiche Fasern wie Alpaka- und Mohairwolle wären eine bessere Möglichkeit.
  • Pflegeleicht/knitterfrei: Kunstharze und Vernetzungsmittel mit oder ohne Formaldehyd sollen dafür sorgen, dass die Kleidung nach dem Waschen wenig bis gar nicht knittert, formstabil bleibt und schnell trocknet. Die Kreisgruppe empfiehlt schonend zu waschen, feucht in Form zu ziehen, hängend zu trocknen und das Bügeln in Kauf zu nehmen.
  • Separat waschen: Die Färbemittel sind nicht ausreichend mit der Faser verbunden und können „ausbluten“ – aber auch beim Tragen auf die Haut gelangen und Allergien auslösen. Kaufen Sie besser ein farbechtes Kleidungsstück.
  • „Used-Look“/„Stonewashed“: Die Zugabe von Bimsstein beim Waschen, chlorhaltige Bleichmittel oder Sandstrahlen führen zu einer oberflächlichen Beschädigung, die der Jeans das typische Aussehen verleiht. Alle Methoden belasten die Umwelt. Sandstrahlen gefährdet außerdem Gesundheit der Arbeiterinnen und Arbeiter. Wählen Sie besser eine einfarbige Jeans.
  • Wasser-, öl- und schmutzabweisend: Paraffine, Silikone und per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) machen Regenjacken, Matschhosen und Schuhe wasserabweisend und leicht zu reinigen. Achten Sie beim Kauf auf fluorfreie Imprägnierungen, erkennbar an Hinweisen wie „frei von PFCs“, „fluorfrei“ und „PFAS-frei“.

Was kann ich tun?
Viele chemischen Substanzen waschen sich mit der Zeit heraus. Secondhand-Kleidung enthält daher weniger chemische Stoffe. Achten Sie beim Kauf neuer Kleidung auf Siegel, die hohe Umwelt- und Sozialstandards zertifizieren. Orientierung gibt zum Beispiel die Seite „Siegelklarheit“. Unbedenkliche Stoffe sind auch an den Siegeln „Blauer Engel“ und „OEKO-TEX® STANDARD 100“ erkennbar. Vermeiden Sie den Kauf stark riechender Textilien. Der Geruch kann auf Biozide, Formaldehyd oder Chloratrückstände hinweisen. Seien Sie vorsichtig bei Motiv-Drucken: Sie können bedenkliche Weichmacher oder polyzyklische Kohlenwasserstoffe (PAK) enthalten. Eine umwelt- und gesundheitsverträgliche Drucktechnik ist zum Beispiel der Siebdruck. Werden spezielle Eigenschaften des Kleidungsstücks angepriesen, machen Sie sich klar, dass damit immer auch der Einsatz spezieller Chemikalien verbunden ist. Überlegen Sie sich, ob sie diese Eigenschaften wirklich brauchen. Der wichtigste Rat bleibt aber, Kleidung vor dem ersten Tragen zu waschen.