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Vom Wertstoffhof an die Goldküste?

Wohin mit den kaputten, abgetragenen oder einfach aussortierten Kleidungsstücken? Für umweltbewusste Bürger scheint die Antwort klar: In den Altkleidercontainer. Jedes Jahr werden in Deutschland rund 1 Million Tonnen Alttextilien gesammelt, das ist eine Erfassung von rund 70 %. Aber wie passt das zu den Bildern von Kleiderbergen auf Mülldeponien irgendwo in Afrika, die uns immer wieder erreichen und die den Verdacht illegaler Müllexporte wecken?

Wohin mit den kaputten, abgetragenen oder einfach aussortierten Kleidungsstücken? Für umweltbewusste Bürger scheint die Antwort klar: In den Altkleidercontainer. Aber wie passt das zu den Bildern von Kleiderbergen auf Mülldeponien irgendwo in Afrika, die uns immer wieder erreichen und die den Verdacht illegaler Müllexporte wecken? Jedes Jahr werden in Deutschland rund 1 Million Tonnen Alttextilien gesammelt, das ist eine Erfassung von rund 70 % und damit ist Deutschland auf diesem Gebiet Weltmeister. Gut die Hälfte davon gelangt in den globalen Handel mit Second-Hand Kleidung. Der Rest wird zu Putzlappen oder Vliesstoffen weiterverarbeitet oder verbrannt. Eine Kreislaufwirtschaft ist das trotzdem nicht, auch die Second-Hand Kleidung wird irgendwo in der Welt zu Abfall.

100.000

Altkleidercontainer sind in

Deutschland aufgestellt

1. Mio. Tonnen

Alttextilien

werden jährlich gesammelt

45% - 60%

gelangen in den globalen

Secondhand-Handel

258 Mio. US-$

wurden 2020

damit umgesetzt

Im Altkleidercontainer landet ein wirres Durcheinander fast neuwertiger, sichtbar getragener, zerrissener oder verschmutzter Jacken, Hemden oder Blusen, Hosen etc. und leider auch eine Menge Müll, den unvernünftige Zeitgenossen hier entsorgen. Das Traunsteiner Tagblatt zitiert in seiner Ausgabe vom 31. Januar 2025 den stellvertretenden Kreisgeschäftsführer des BRK Thorsten Brandstätter: „In den Containern sind leider bisher schon über 30 Prozent Müll, verdreckte und kaputte Kleidung entsorgt worden.“ Keine Frage: Alle diese Dinge gehören in die Restmülltonne, nicht in den Altkleidercontainer. Auch die neue EU-Regelung für eine nachhaltigere Kreislaufwirtschaft für Textilien ändert daran nichts. Nicht nur, dass diese Dinge manuell wieder aussortiert werden müssen, sie machen die noch brauchbaren Kleidungsstücke im Container auch unbrauchbar.
Die beste Lösung ist also, noch gebrauchsfähige Altkleidung nicht in den Container zu werfen, sondern sie direkt z. B. in den Rotkreuz-Läden in Traunstein oder Traunreut oder bei entsprechenden kirchlichen Stellen abzugeben. Von dort gelangen sie entweder direkt in den Verkauf oder die humanitäre Hilfe oder bereits vorsortiert zu den Sammelbetrieben.

Aussortiert

Die Sortierung der Alttextilien ist Handarbeit und findet wegen der günstigeren Lohnkosten überwiegend in den Niederlanden oder Polen statt. Der erste Schritt ist die „Negativsortierung“. Dabei wird der Inhalt der Altkleidercontainer grob gesichtet und all das aussortiert, was offensichtlich nicht mehr gebrauchsfähig ist. Der Rest wird entweder gepresst und weiterverkauft oder gelangt in die „Vollsortierung“. Diese geschieht in zwei Schritten. In der Erstsortierung werden die abgegebenen Textilien in etwa 40 bis 50 Kategorien sortiert. Das ist reine Akkordarbeit mit vorgegebenen Quoten, pro Mitarbeiterin (diese Arbeit wird fast ausschließlich von Frauen ausgeführt) und Schicht wird in einem beispielhaften Betrieb eine durchschnittliche Sortierung von 2.775 kg Textilien erwartet. Für das einzelne Kleidungsstück bleiben also nur jeweils Sekunden zur Entscheidung. Hochwertige und gut erhaltene Kleidung wird anschließend in einer Feinsortierung auf bis zu 20 Unterkategorien verteilt. In einem Beispiel liegt die Norm für die Feinsortierung von Herrenhemden bei 1.605 kg pro Schicht oder rund 3,5 kg pro Minute. Geht man von einem durchschnittlichen Gewicht von 250 bis 350 Gramm aus, bedeutet das die Sortierung von 10 bis 14 Hemden pro Minute – und das über 7,5 Stunden hinweg.

Das deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) definiert in § 3: „Abfälle […] sind alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss“. Textilien werden dort explizit als Siedlungsabfälle benannt. Somit fallen die aussortierten Textilien von privaten Haushalten unter das Abfallregime. 
Nach § 5 (1) KrWG endet die Abfalleigenschaft, wenn das Kleidungsstück ein Recycling oder ein anderes Verwertungsverfahren durchlaufen hat und so beschaffen ist, dass dafür entweder ein Markt oder eine Nachfrage besteht. Das Ende der Abfalleigenschaft kann bereits durch die Vorbereitung zur Wiederverwendung erreicht werden. Bei Alttextilien stellt dies die Sortierung dar. Damit wird in der Alttextilsortierung über das Ende der Abfalleigenschaft entschieden.

Weiterverkauft:

Die sortierte Kleidung wird dann in Plastiksäcken verpackt oder Ballen gepresst und geht per Container auf die Reise. Der weltweite Handel mit gebrauchter Kleidung hat sich zwischen 1990 und 2004 auf einen Wert von rund einer Milliarde Dollar pro Jahr verzehnfacht. 2021 betrug der Marktwert bereits 36 Milliarden Dollar, mit einem erwarteten Wachstum auf 77 Milliarden Dollar im Jahr 2025. Noch 2020 verblieben etwa 50 % in Europa, insbesondere in der Ukraine und in Russland, 35 % gingen nach Afrika. Der Krieg im Osten Europas hat diesen Markt aber fast vollständig zusammenbrechen lassen. In Afrika gelangt die Ware zunächst in Großmärkte. Der wichtigste Marktplatz „Kantamanto Market“ befindet sich in Accra, der Hauptstadt Ghanas. Er umfasst eine Fläche von über 12 Fußballfeldern, über 5.000 Shops und bietet Arbeit für etwa 30.000 Personen – eine kleine Welt für sich. Rund 100.000 Tonnen Gebrauchtkleidung werden hier pro Jahr umgesetzt und über ein eingespieltes System von Zwischenhändlern, Nähereien und Färbereien bis zu fliegenden Händlern über Ghana und seine Nachbarländer verteilt. Andere Schätzungen gehen sogar von 15 Millionen Kleidungsstücken pro Woche aus, die hier ankommen.
Allerdings gibt es dabei eine ganze Reihe von Hindernissen: Nicht jede Kleidung aus Europa ist für das Klima in Äquatorialafrika geeignet – Winterbekleidung sicher nicht. Die europäische Bevölkerung ist im Durchschnitt deutlich älter als die (west-) afrikanische, vieles der eingesammelten Kleidung trifft nicht den Geschmack junger Afrikaner. Für Herrenbekleidung und speziell Herrenhemden besteht eine große Nachfrage, so dass sich auch Exemplare zweiter oder gar dritter Wahl absetzen lassen. Damenblusen dieser Qualität sind dagegen praktisch unverkäuflich. Aus vielen Ländern kommt nur unzureichend sortierte Kleidung, die bis zu 40 % unverkäufliche Teile enthält. 
Das größte Problem ist aber auch in Afrika Fast Fashion. Aufgrund der vielen Sortierschritte und Transportwege entstehen Kosten. Außerdem muss der Verkaufserlös die Kosten für die Entsorgung der nicht verkaufsfähigen Textilien und Fremdstoffe aus den Altkleidercontainern decken. Ein Damenkleid kostete 2022 auf dem Kantamanto Market noch zwischen 2,50 € und 11,50 €, eine Jeans zwischen 7,70 € und 19,20 € und ein Herrenhemd zwischen 3,80 € und 9,20 € - bei einem  durchschnittlichen Einkommen von 195 € pro Monat. Fast Fashion aus China ist auch in Afrika billiger und überschwemmt den Markt. Dementsprechend sind die Preise für Gebrauchtkleidung eingebrochen und decken nicht einmal mehr die Transportkosten nach Afrika. Für Organisationen wie das BRK oder den Malteser-Hilfsdienst bedeutet das, dass Erlöse aus der Altkleidersammlung fehlen, die Defizite aus anderen, wichtigen sozialen Aufgaben ausgleichen konnten.
Fast Fashion und die damit einhergehende sinkende Qualität der Artikel stellt auch die bisherige Funktionsweise des Systems bei uns in Frage. Das Verhältnis noch tragbarer zu nicht mehr gebrauchsfähiger eingeworfener Kleidung kippt durch Textilien, die nur wenige Maschinenwäschen überstehen, ausbleichen oder wenig strapazierfähig sind, immer weiter und die Querfinanzierung der Erfassung, Sortierung und Entsorgung von nicht mehr tragfähigen Anteilen über den Secondhand-Handel wird schwieriger. Wie das Traunsteiner Tagblatt berichtet hat, gerät auch bei uns im Landkreis die Erfassung von Alttextilien zunehmend in Gefahr, während gleichzeitig die erfassten Mengen steigen.

Wieder Abfall – nur woanders

In Europa wird ein großer Anteil an Bekleidung als Alttextilien entsorgt, bevor das Ende der Nutzungsdauer erreicht ist. Durch den globalen Secondhand-Handel wird einerseits die Nutzungsdauer dieser Textilien verlängert, andererseits gelangen die Textilien immer in den Importländern an ihr Nutzungsende und werden dort zu Abfall. Hinzu kommt Neuware, die in Europa oder den USA nicht verkauft wurde. Auch diese wird z. T. als Gebrauchtkleidung umdeklariert, exportiert und früher oder später im Importland zu Abfall. In Ghana wird Abfall u. a. an Straßen oder Stränden entsorgt und bleibt damit dauerhaft und medienwirksam sichtbar. Eine flächendeckende kommunal oder staatlich organisierte Abfallwirtschaft ist nicht vorhanden oder der schieren Menge nicht gewachsen und ein Bewusstsein für die Umweltauswirkungen ist unterentwickelt oder fehlt gänzlich. Darüber können wir uns aufregen, sollten dabei aber nicht vergessen, dass es letztlich die Folgen unseres Überkonsums sind, die dort liegen. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Textilien in Ghana liegt bei nur etwa einem Drittel des deutschen oder europäischen Durchschnitts. Der Export von Altkleidern wird als eine bequeme Möglichkeit dargestellt, einkommensschwachen Ländern zu helfen, und nicht als der erfolgreiche Versuch, die Probleme der Überproduktion und des Überkonsums auf den Globalen Süden abzuwälzen.

Versuche afrikanischer Staaten, sich mit Einfuhrbeschränkungen und Zöllen gegen die Flut von Alttextilien zu wehren und ihre heimische Textilproduktion zu schützen wurden von den USA als Behinderung des Freihandels angefochten und mit der Androhung von Handelsstrafen unterbunden.

Und der Rest?

Alttextilien, die bei der Sortierung als nicht verkaufsfähig eingestuft werden, werden im besten Fall zerschnitten und als Putzlappen in der Industrie verwendet. Sie ersetzen dort Papiertücher oder Stofflappen aus neuen Fasern. Grundvoraussetzung für die Weiterverwendung als Putzlappen ist eine hohe Saugfähigkeit. Das ist bei Textilien mit einem möglichst großen Cellulose-Anteil, also vorwiegend baumwollhaltigen Stoffen gegeben. Genau diese Fraktion wird jedoch durch Fast Fashion kleiner, denn diese Mode besteht ganz überwiegend aus Kunstfaser. 2022 wurden noch etwa 10 % der Sammelmenge so verwertet, aber auch dieser Anteil droht zurückzugehen.

Weitere 16 % der Sammelmenge werden mechanisch geschreddert. Dadurch verkürzen sich die Fasern so weit, dass sie nicht mehr neu versponnen werden können – abgesehen davon, dass es sich um einen Materialmix aus diversen Fasern handelt. Es bleibt eine watteähnliche Masse, die als Vliesstoff an Malereibetriebe geht oder zu Dämmmaterial z. B. für Automobile gepresst wird.

Sowohl die Verwertung als Putzlappen wie auch als Vlies stellt ein Downcycling der Textilfasern und keine wirkliche Kreislaufwirtschaft dar. Zudem trägt sie sich nicht selbst, sondern wird durch den Verkauf der Secondhand-Textilien quer finanziert. Nach der Verwendung werden diese Recyclingprodukte ebenso wie die nicht verwertbare Fraktion der gesammelten Alttextilien der Müllverbrennung zugeführt.

Was kann ich tun?

Ein Recycling im strengen Sinn, bei dem aus Alttextilien neue Kleidungsstücke werden, gibt es heute nicht oder nur als chemische Verfahren im Labormaßstab oder kleinen Pilotprojekten. Wir können also nur versuchen, unsere Kleidung möglichst lange zu nutzen.

Schöpfen Sie alle Möglichkeiten aus, ihre aussortierte, aber noch tragbare Kleidung in Ihrem Bekanntenkreis, über Kleidertauschparties etc. direkt weiterzugeben. Das gilt besonders für Kleidungsstücke, deren Nutzung von vorneherein zeitlich begrenzt ist, wie z. B. Baby- und Kinderkleidung. Auch auf Online-Plattformen können Sie nach Abnehmern suchen, allerdings ist bei dem Überangebot gebrauchter Kleidung oft Geduld notwendig.

Wenn das nicht möglich ist, geben Sie diese Kleidung nach Möglichkeit direkt z. B. in den Rotkreuz-Läden in Traunstein oder Traunreut oder bei entsprechenden kirchlichen Stellen ab. Auf der Website wohindamit.org finden Sie eine Übersicht über soziale Einrichtungen in der Umgebung, die Altkleider und weitere Sachspenden annehmen. Da aber so viele Altkleider abgegeben werden, sollten Sie die Organisation vorher unbedingt fragen, ob aktuell Bedarf besteht und in welcher Form die Kleiderspende entgegengenommen wird. Kostenlos als Paket können Sie gut erhaltene Kleidung, Taschen und Schuhe zudem an die Deutsche Kleiderstiftung schicken. Den notwendigen Paketschein können Sie sich ganz einfach online herunterladen.

Der Weg zum Altkleider-Container sollte erst die letzte Wahl sein. Werfen Sie dort bitte nur saubere Textilien ein, damit keine noch verkaufsfähige Kleidung unbrauchbar wird. Achten Sie auf Kennzeichen wie z. B. den grünen Aufkleber von FairWertung oder das "BVSE Qualitätssiegel Alttextilsammlung" auf dem Container. Zumindest sollte eine deutsche Adresse und eine Festnetznummer auf dem Container stehen, die telefonisch erreichbar ist. Was sich nicht einmal mehr als Putzlappen eignet, gehört in Ihre Mülltonne.