Tiroler Achen
Geologie
Der Chiemsee ist ein Überbleibsel der letzten Eiszeit. Der Hauptzufluss ist die Tiroler Ache. Ihr Einzugsgebiet liegt in den Kitzbühler Alpen und hat eine Größe von 944 km².
Zum Teil liegt dieses Einzugsgebiet in einer labilen, erosionsgefährdeten Grauwackenzone im Raum Kitzbühel, südlich von St. Johann. Aus dem „weichen“ Material in diesem Teil der Alpen wird bei Niederschlägen eine große Menge an Schwebstoffen in die Tiroler Ache eingeschwemmt.
Obwohl ein Teil dieser Schwebstoffe im Flusslauf abgelagert wird, gelangen doch sehr große Mengen an Sand und Geschiebe in den Chiemsee. Untersuchungen haben ergeben, dass jährlich etwa 258.000 m³ Fracht in den See gelangen, davon rund 170.000 m³ Schwebstoffe.
Da 40 Prozent der Schwebfracht im Mündungsbereich der Tiroler Achen am Südostufer des Chiemsees liegen bleiben, schiebt sich das Delta immer weiter in den See hinein und verändert stetig sein Gesicht.
Zurzeit wandert es im direkten Bereich des Hauptarmes um bis zu 25 Meter pro Jahr in den See und bewirkt damit die Verlandung der Hirschauer Bucht und der Chieminger Bucht.
Nahm der Chiemsee vor rund 10.000 Jahren noch eine Fläche von rund 300 km² ein, so weist er heute nur noch eine Ausdehnung von 80 km² auf. Die Lebensdauer des Chiemsees wird noch auf etwa 7000 bis 8000 Jahre geschätzt.
Durch wasserbauliche Maßnahmen im Oberlauf und Unterlauf der Tiroler Achen hat sich die Verlandung in den letzten Jahrzehnten zwar etwas verlangsamt, aber auch durch noch so teure und und ökologisch fragwürdige Eingriffe lässt sich die Entwicklung nicht aufhalten.
Dieses Schicksal teilt der Chiemsee mit vielen anderen Seen im Voralpenland, die während der letzten Eiszeit entstanden sind. Der Salzburger See und der Rosenheimer See sind zum Beispiel längst verlandet
Flora und Fauna
Das Mündungsgebiet der Tiroler Achen ist ein in Mitteleuropa einzigartiges natürliches Binnendelta mit einer Biotopvielfalt von vegetationslosen Kiesflächen bis hin zu üppigen Weichholz- und Hartholzauwäldern und wertvollen Streuwiesen im Grabenstätter Moos.
Auf den Kiesflächen findet man Pionierarten, die Sandbänke und Röhrichtstandorte beherbergen seltene Arten. Auf den Streuwiesen findet man die Sibirische Schwertlilie (größtes Vorkommen in Mitteleuropa), Mehlprimeln, Trollblumen, Lungen-Enzian und viele Orchideenarten.
Bayerns größter See und die umliegenden Moore gehören zu den artenreichsten Vogelgebieten Bayerns und Deutschlands. Seit 1950 wurden rund um den Chiemsee 300 von 350 in Bayern bekannten Vogelarten registriert. 145 Arten brüten auch regelmäßig. Dazu gehört übrigens auch der Kormoran, der schon im Mittelalter in Bayern heimisch war, zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgerottet wurde und sich seit den 90er Jahren wieder angesiedelt hat. Im Winter werden regelmäßig zwischen 20.000 und 40.000 Wasservögel gezählt, darunter auch mehrere Seeadler.
Besonders geschätzt ist bei vielen seltenen Brutvögeln das Achendelta. Da hier die Kernzone weder betreten, noch die Gewässer befahren werden dürfen, kann ein weitgehend störungsfreier Lebensraum gesichert werden.
Wertbestimmende Vogelarten am Chiemsee und in den umliegenden Mooren sind Blaukehlchen, Bekassine, Fluß-Seeschwalbe, Fluß-Uferläufer, Großer Brachvogel, Wachtelkönig, Tüpfelsumpfhuhn, Eisvogel, Pirol, Silberreiher, Seeadler und Sterntaucher.
Die Veränderung der Wasserqualität, die intensive Befischung und jahrzehntelange Besatzmaßnahmen haben die ursprüngliche Fischwelt des Chiemsees drastisch verändert. Aal und Zander, beides gefräßige Raubfische, waren früher nicht heimisch, dagegen ist der einst in Massen vorkommende Perlfisch praktisch ausgestorben. Die noch vorkommende Mairenke ist als FFH-Art von europaweiter Bedeutung nach europäischem Recht besonders geschützt.
Nach dem zweiten Weltkrieg hat die Belastung des Sees durch Abwässer stark zugenommen. Erfreulicherweise konnte 1989 der Chiemsee-Ringkanal eingeweiht werden. Seitdem hat sich die Wasserqualität wieder stark verbessert.
Schutzgebiete
Das Achendelta ist aufgrund seiner Einmaligkeit und seiner großen Bedeutung für den Artenschutz durch verschiedene Naturschutzverordnungen geschützt. 1954 wurde das Achendelta durch eine Naturschutzverordnung geschützt, die aber nur unzureichend umgesetzt wurde.
Das 1986 neu ausgewiesene Naturschutzgebiet „Mündung der Tiroler Achen“ hat eine Fläche von 1250 km2. In der Kernzone gilt ein Betretungs- und Befahrungsverbot mit einzelnen Ausnahmen für die Forstwirtschaft und die Berufsfischerei. Die nationale Schutzkategorie kann jedoch jederzeit durch einzelne Genehmigungen bayerischer Behörden aufgeweicht werden. So hat z. B. die Regierung von Oberbayern auf Antrag der Fischereigenossenschaft Chiemsee 2002 einen wochenlangen Abschuss von Kormoranen in der Kernzone des Schutzgebietes genehmigt, der auch zur Störung anderer Brutvögel geführt hat.
Seit 1976 ist der See nach der Konvention „Übereinkommen für den Schutz von Feuchtgebieten internationaler Bedeutung“ (RAMSAR-Konvention) geschützt. Das RAMSAR-Gebiet wird im Wesentlichen von der Uferlinie des Sees begrenzt und schließt das Naturschutzgebiet „Mündung der Tiroler Ache“ mit ein. Hier soll vor allem der Lebensraum von Wasser- und Watvögeln geschützt und die störungsfreie Rast von Durchzüglern und Wintergästen ermöglicht werden.
In Bayern gibt es sieben, in ganz Deutschland 29 derartige Gebiete von internationaler Bedeutung.
Aufgrund der RAMSAR-Konvention wurde der Chiemsee im Jahr 2000 offiziell als Vogelschutzgebiet (SPA-Gebiet) nach der europäischen Vogelschutz-Richtlinie ausgewiesen und an die EU-Kommision gemeldet.
Besonders bedeutsame Pflanzengesellschaften im Uferbereich, die Vorkommen der Mairenke und die Fledermausarten der Herreninsel sind aufgrund der europäischen FFH-Richtlinie ebenfalls geschützt.
SPA- und FFH-Gebiet gehören zum europäischen Schutzgebietsnetz Natura 2000, in dem das sogenannte Verschlechterungsverbot gilt, bei gravierenden Eingriffen die EU-Kommission gehört werden muss und außerdem die EU-Kommission den Erhaltungsgrad der Gebiete und der Populationen der Arten europaweit beobachtet.
Seit 2005 gibt es ein von den Naturschutzbehörden und der Regierung von Oberbayern in Abstimmung mit Kommunen und Verbänden erstelltes Ruhezonenkonzept, mit dem besonders wertvolle Bereiche des Chiemseeufers ganzjährig oder zeitlich befristet geschont werden sollen. Damit soll Rücksicht auf brütende, mausernde oder überwinternde Vögel und auf die Brut- und Jungfischbereiche der Fische genommen werden. Zudem ist ein besserer Schutz des Schilfes möglich, denn durch verschiedene äußere Einflüsse wie z. B. Wellenschlag, Trittschäden und Halmknickschäden von Badenden und Bootsfahrern ist der wichtige Schilfgürtel um den Chiemsee in den letzten Jahrzehnten stark dezimiert worden.