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Natur & Garten

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Der Waldrand - Biotop zwischen Wald und Wiese

Sie stehen auf der roten Liste Deutschland der gefährdeten Lebensräume: Waldränder sind Biotope zwischen Wald und Wiese. Ist in unserer intensiv genutzten Landschaft kein Platz mehr für Flächen, die einfach nur wertvoller Lebensraum sind? Und worin liegt eigentlich der Wert strukturreicher Waldränder?

Natürliche Waldränder

Es gibt sie noch, auch im Landkreis Traunstein: natürliche Waldränder. Wir nehmen sie nur meistens nicht als solche wahr. Ohne menschliche Eingriffe wäre der größte Teil des Landkreises von Wald bedeckt, aber die Ausbreitung des Waldes hat natürliche Grenzen.

Die wohl wichtigste Grenze ist klimatisch bedingt: Unsere höchsten Berge ragen über die Waldgrenze hinaus und bei einer Bergtour können wir studieren, wie nach und nach die Baumarten zurückbleiben bis uns nur noch Nadelbäume begleiten und wie sich schließlich der geschlossene Wald mehr und mehr auflichtet, bis nur noch einzelne Bäume auf den Flächen stehen, die die Forstleute als „Kampfzone“ bezeichnen.

Ähnliche Übergänge, nur auf kürzerer Distanz, sehen wir dort, wo das Wasser dem Wald Grenzen setzt: Am Rand unserer Moore oder in den Auen und Kiesbänken unserer alpinen Wildflüsse, soweit sie noch einen Rest ihrer natürlichen Dynamik behalten durften. Wo geeignete Standorte bis unmittelbar an das Wasser reichen, an unseren Seen oder an Steilufern unserer Flüsse, endet der Wald dagegen abrupt, die vorherrschenden Baumarten nutzen ihren Lebensraum maximal aus und erweisen sich als konkurrenzstark, sie lassen anderer Vegetation keinen Platz.

Das Idealbild des Waldrands

Wenn wir unsere Augen schließen und an einen Waldrand denken, sehen die meisten von uns aber ein ganz anderes Bild: Einen Waldrand als Übergang zu Wiese oder Acker, einen Streifen windgeschütztes, sonniges oder von überhängenden Zweigen teilweise beschattetes Brachland. Im trockenen Gras raschelt eine Eidechse und über den Hochstauden gaukeln Schmetterlinge.

Klassisch wird die im Übergangsbereich von der Offen- zur Waldfläche angetroffene Vegetation in drei Abschnitte untergliedert, welche sich nach der Zusammensetzung und Wuchsform ihrer Pflanzen unterscheiden. Diese sind Waldsaum, Waldmantel sowie Trauf.

Waldsaum:

„Dieser Krautsaum begrenzt hierbei den Waldrand nach außen und geht im Idealfall allmählich in die Offenlandvegetation über. An natürlichen bzw. primären Waldrändern unterbinden die natürlichen Standortbedingungen eine Gehölzentwicklung, an sekundären Waldrändern ist es zumeist die land- bzw. forstwirtschaftliche Tätigkeit. Heutige Grünländer sind vegetationsstrukturell betrachtet zumeist gleichförmig. Der Übergang wird dadurch deutlich, dass im Waldsaum bereits mehr Pflanzenarten und Wuchsformen vorkommen als auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Eine Ausnahme bilden hier konkurrenzstarke Hochstaudenfluren. Im Saum dominieren krautige Pflanzen, Gräser sowie Hochstauden, die eine Höhe von gut 2 m Höhe erreichen können.“

Schilling: Waldränder aus Sicht des Naturschutzes und der Forstwirtschaft – am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns

Waldmantel:

„An den Saum schließt sich der Waldmantel an. Gewinnen hier strauchartige Holzpflanzen an Dominanz, wird dieser auch als Strauchmantel bezeichnet. Zwischen Saum und Mantel können noch kleinere (Schein-)Sträucher wie Brombeeren die Stellung als Vormantel einnehmen. Die Höhe der Krautschicht kann zum Waldmantel hin je nach Konkurrenzlage durch Sträucher entweder zu- oder abnehmen. Lichte Weidengebüsche lassen eine reiche Bodenflora zu, wohingegen dichte Straucharten mit einer dichten Blattschicht zum Außenrand abschließen und einen spärlich bewachsenen Oberboden im Inneren aufweisen.“

Schilling: Waldränder aus Sicht des Naturschutzes und der Forstwirtschaft – am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns

Trauf:

„Das Strukturbild schließt mit dem Trauf ab. Hier können Traufbäume durch den vermehrten Lichtgenuss - besser als ihre Vertreter im Waldesinneren - ein weiter nach unten ausgebildetes Ast- und Blätterwerk ausbilden und schließen den Waldkörper somit ab. Bei Fehlen des Strauchmantels übernehmen die Traufbäume die Rolle des Abschlusses mit einem tiefbewachsenen Geäst. Der Aufbau des dem Rand anliegenden Waldes und seiner Waldkante, dem Trauf, ist abhängig von der Baumartenzusammensetzung, die sich bei natürlicher Entwicklung von den örtlichen Standortbedingungen herleitet. Eichenmischwälder schaffen durch ihre Lichtdurchlässigkeit die mit Pflanzenarten ausgeprägtesten Mäntel, die auch viele Wildobstgehölze beherbergen. Wo die Schattenbaumarten Rotbuche, Gemeine Fichte und Tannen dicht den Wald abschließen, bilden diese selbst den Mantel und lassen kaum Sträucher zu.“

Schilling: Waldränder aus Sicht des Naturschutzes und der Forstwirtschaft – am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns

Dieses Idealbild eines Waldrandes suggeriert einen allgemeingültig anzustrebenden Zielzustand. Tatsächlich stößt es in der Fachliteratur auf deutliche Kritik. Es handele sich hierbei um ein Relikt aus der Forstästhetik vom Beginn des 20. Jh., das so natürlich kaum vorkäme und eher einen zufälligen, kurzzeitigen Zwischenstand in der Sukzession darstelle. Wichtiger als das Idealbild sei demnach, dass so viele Strukturelemente wie möglich vorhanden seien, die sich zusammen mit den diversen Sukzessionsstadien mosaikartig auf der gesamten Waldrandfläche verteilten.

Ein idealtypischer, gestufter Waldrand mit Saum, Mantel und Trauf ist dort, wo Bäume wachsen können – also fast überall – ein sehr pflegebedürftiger Teil unserer Kulturlandschaft. Ohne Pflege dringen immer wieder (Schatt-)Baumarten vor. Bäume und Gehölze müssen daher etwa alle 5 bis 10 Jahre zurückgenommen werden, Grünland ist zu mähen oder zu beweiden. Eine Ausnahme bilden nur sehr dichte, baumunterdrückende Heckengehölze wie Schlehdorn. Vorgelagerte natürliche Offenlandsäume existieren nur an für Gehölze zu feuchten Standorten wie Mooren oder zu trockenen wie Volltrockenrasen oder Felsformationen.

Konkrete Hinweise zur Pflege und Aufwertung geben z. B. das „Handbuch Biotopverbund“ des BUND (2. gedruckte Auflage, August 2020, ISBN: 978-3-9820281-1-8, auch über den BN-Onlineshop zu beziehen) oder die Publikation „Das Ende der Waldwände“ der ANL.

Und die Realität?

Die Realität sieht ohnehin meist anders aus. Der Ordnungssinn des Menschen führte mit der Zeit dazu, dass die Grenzen zwischen Wald und Siedlungsflächen, Verkehrsflächen oder landwirtschaftlich genutzten Flächen immer abrupter wurden. „Heute grenzt eine Wirtschaftseinheit maximalen Fruchtertrags übergangslos an eine Wirtschaftseinheit maximalen Holzertrags“ (Coch, Thomas, Hondong, Hermann (1995): Waldrandpflege. Grundlagen und Konzepte. Neumann Verlag GmbH. Radebeul, S.75). Unsere Infrastruktur, Straßen wie die Nordost-Umfahrung Traunstein oder Leitungstrassen zerschneiden historisch zusammenhängende Waldgebiete und schaffen zahlreiche neue Waldränder. Während bei Stromleitungen mittlerweile ein Umdenken erkennbar ist, auch, um den Pflegeaufwand zu reduzieren, sieht man entlang der Straßen fast nur offene Waldränder, die als Schnittwunde den Eingriff jahrelang bezeugen. Eine Anlage eines Waldsaums bereits als Teil der Planung sucht man meist vergebens.

Dabei steht ein abrupter Übergang von der offenen Landschaft zum Wald wie ein Klotz im Wind und erzeugt Turbulenzen leeseits des Waldrandes. Diese erhöhen die Gefahr von Sturmschäden deutlich – eine Tatsache, die im Klimawandel die Stabilität unserer Wälder weiter schwächt. Die Pultdachform des idealtypischen gestuften Waldrands sorgt für wesentlich günstigere Strömungsverhältnisse. Hinzu kommt: Bäume im Trauf »investieren« aufgrund der besseren Lichtverfügbarkeit weniger in Höhenwachstum als im Waldinneren. Sie nutzen die dadurch verfügbaren Ressourcen für ein verstärktes Dickenwachstum, was letztendlich ihrer Stabilität entgegenkommt. Speziell bei einem offenen Waldrand durch nachträgliche Anlage einer Straße oder Leitungstrasse fehlt diese Anpassung.

Ein wertvoller Lebensraum

Dabei könnte alles so schön sein: Gut gestaltete Waldränder vereinigen das Beste von Offenland und Wald und stellen einen komplexen Lebensraum dar, der mehr ist als die Summe seiner Teile. Der Fachbegriff hierfür ist „Ökoton“.

„Übergangszone zwischen 2 oder mehreren Landschafts-Ökosystemen, Lebensgemeinschaften oder nach Clemens (1929) von Pflanzengemeinschaften, z. B. der Waldrand zwischen Wald und Wiese. Das Zusammentreffen unterschiedlichster Bedingungen auf engstem Raum fördert die Vielfalt der Wechselbeziehungen zwischen den Organismen und ihrer Umwelt und schafft so oftmals die Voraussetzung für eine höhere geoökologische und biotische Diversität. Die Neigung zu größerer Mannigfaltigkeit und Dichte in solchen Ökotonen bezeichnet man als Randeffekt.“

Spektrum der Wissenschaft, Lexikon der Biologie

Am Waldrand treffen verschiedene Lebensräume und Lebensgemeinschaften aufeinander und überlappen sich. Zwischen den ineinandergreifenden Typen von Biotopen sowie Ökosystemen existieren dabei verbindende wie auch trennende Faktoren. Das Angebot an Habitaten ist vielschichtiger als in den vom Rand entfernt liegenden Biotopen. Hier können sich große Lebensgemeinschaften sowie Nahrungsnetze mit einer außerordentlichen Fülle an z. T. bedrohten Arten entwickeln. Am Waldsaum können Pflanzen vorkommen, die Mahd auf Grünlandstandorten genauso wenig vertragen wie die schwachen Lichtverhältnisse inmitten dunkler Wälder. Der Waldtrauf bietet Platz für lichtbedürftige Sträucher und Bäume.

Das zeigt sich auch in den Ergebnissen der Bundeswaldinventur. Dort, wo ein Inventurpunkt auf einen Waldrand fällt, zeigt sich eine ganz andere Zusammensetzung von Baumarten als im Inneren des Waldes. An wieviel Prozent dieser Inventurpunkte die hier sechs häufigsten Baumarten gefunden wurden, zeigt die nachfolgende Zusammenstellung:

60,3 %

Feldahorn

55,8 %

Vogelkirsche

50,0 %

Weiden

47,7 %

Espe / Zitterpappel

46,3 %

Stieleiche

42,2 %

Schwarzerle

Bei diesen Baumarten handelt es sich um lichtbedürftige, vergleichsweise wenig konkurrenzkräftige Arten, die zudem waldbaulich meist nicht speziell gefördert werden. Sie haben daher unter aktuellen Wachstumsbedingungen und Konkurrenzverhältnissen im Übergangsbereich von Wald zum Offenland ihre ökologische Nische gefunden, in der sie sich behaupten können.

Waldränder bieten Ausgangsorte zur Besiedlung eines Areals, halten Möglichkeiten zum Bau von Nestern und Netzen sowie Singwarten, Sonn- und Erkundungsplätze bereit. Fledermäusen verhilft der Trauf als natürliche Mauer zur Ultraschallortung von Fluginsekten und auch andere Wildtiere gehen an dieser Linie auf Beutezug. Der Waldrand bietet Verstecke und Ausweichbiotope, wenn das vorgelagerte Offenland bearbeitet wird. Viele Insekten, Spinnentiere und Reptilien nutzen die Wärme am Waldrand, um ihre Körpertemperatur aufzubauen und geeignete Eiablageplätze zu finden.

Besonders für Wildbienen spielen die Standortbedingungen eine besondere Rolle. Sie sind von Baumarten und Blütenpflanzen, Kleinstrukturen wie offene (Sand-)Böden sowie von der Landnutzung vor dem Waldrand abhängig. So sind mageres und trockenes Grünland optimal, an scharfen Acker-Wald-Grenzen finden sich jedoch kaum Bienen ein. Eine südliche Ausrichtung verschafft ihnen und vielen nicht gleichwarmen Tieren immense Vorteile, vor allem in der sonst noch kühleren Vorfrühjahrs- oder in der Herbstzeit.

Manche Schmetterlinge nutzen die Aufwinde vor Waldrändern. Je nach Art gehen Männchen oder Weibchen im Geäst des Mantels auf Lauerstellung oder davor auf Patrouillenflug. Einige mitunter sehr anspruchsvolle Tagfalterarten sind an bestimmte Pflanzenarten sowie ein spezifisches Mikroklima gebunden und haben sich an sehr warme, magere Standorte oder Hochstaudensäume angepasst. Der Kaisermantel (Argynnis paphia) oder der Veilchen-Perlmutterfalter (Boloria euphrosyne) sind solche Arten. Manch eine Art wäre ohne Krautsäume an den Waldrändern um einiges seltener, so etwa der Aurorafalter (Anthocharis cardamines) oder das Landkärtchen (Araschnia levena). Viele dieser Arten sind vor allem auf Lichtbaumarten wie Zitterpappel, Salweide oder Birke angewiesen. Für den Großen Schillerfalter (Apatura iris) ist es zum Beispiel wichtig, dass die Salweide genügend luftfeucht steht, damit die Weibchen sie zur Eiablage annehmen. Alleinstehende oder gut besonnte Bäume oder Sträucher werden gar nicht oder selten angenommen. Bevorzugt werden dagegen solche, die in Geländemulden oder an halbschattigen Standorten am Waldrand stehen. Der Große Eisvogel (Limenitis populi) scheint besonders dominant stehende Zitterpappel-Gruppen im Waldrandbereich zu bevorzugen. Auch hier spielt die Ausrichtung des Waldrandes eine große Rolle.

Das Fazit unserer Kreisgruppe

Waldränder sind ein wichtiges Element unserer Kulturlandschaft. Der Mensch hat während der Besiedlung den Wald zurückgedrängt und Grenzen zwischen Wald und den angrenzenden Flächen geschaffen. Der Waldrand bildet wie Hecken, Feldgehölzen oder Uferstreifen ein komplexes Biotopverbundsystem mit großer Bedeutung für Tier- und Pflanzenwelt. Entwickelt sich entlang aufgelichteter Waldränder eine üppige Strauchschicht und ein vorgelagerter Krautsaum, entsteht ein Paradies für Bienen und Hummeln, Käfer und Schmetterlinge aber auch Vögel, Reptilien und Kleinsäuger. Ein abrupter Übergang, bei dem sich an eine gemähte Wiese, einen Acker oder gar eine Straße direkt ein geschlossener Wald mit hohen Bäumen anschließt ist für viele Tierarten problematisch. Ihnen fehlen geschützte Warten, von denen aus sie sich aus dem Wald ins Offenland wagen können, besonnte Nist- und Brutgelegenheiten und ein vielfältiges Nahrungsangebot in jeder Saison.

Verschiedene Gefährdungen bedrohen das Paradies am Waldrand: Einträge von Dünger und Pflanzenschutzmittel von benachbarten landwirtschaftlichen Flächen, illegale Ablagerungen von Gartenabfällen, Bauschutt oder Mist oder die Wiederbewaldung bei ausbleibender Pflege. Es liegt an uns allen, Waldränder als wertvoll zu begreifen und sie vor diesen Gefährdungen zu schützen.

Einmal verlorene natürliche Waldränder wieder herzustellen ist schwierig: Nutzungskonflikte, auch innerhalb des Naturschutzes, müssen dabei aufgearbeitet werden. Oftmals sind Waldränder durch Siedlungen oder Infrastruktur verbaut und die Flächen für eine Verbesserung im privaten Besitz. Renaturierungen bieten sich aus Sicht der Kreisgruppe im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen oder geförderten Naturschutzprojekten oder Ökokontoflächen an.

Besser als Anstrengungen zur Wiederherstellung wäre es, wenn überall dort, wo neue Waldränder durch Baumaßnahmen entstehen, ihre gute, strukturreiche Gestaltung verbindlicher Teil der Planung und Genehmigung der Maßnahme und die Zeit der offenen Waldränder im Landkreis vorbei ist.


Exkursion „Waldrand – Mehr als nur der Anfang des Waldes“

„Waldrand – Mehr als nur der Anfang des Waldes“ war das Thema der diesjährigen Waldexkursion der Kreisgruppe Traunstein des Bund Naturschutz e.V., die in Kooperation mit dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Traunstein durchgeführt wurde.

Revierförster Max Poschner zeigte den interessierten Teilnehmern am Beispiel einer Fläche in kirchlichem Besitz bei Otting, wie strukturreich ein möglichst naturnaher Waldrand sein kann. Er machte aber gleichzeitig deutlich, dass ein Waldrand als stufenweiser Übergang von der landwirtschaftlich genutzten Fläche im Offenland zum Wald eben kein natürlicher Landschaftsbestandteil sei, sondern ein durch menschliche Tätigkeit entstandenes Strukturelementunserer Kulturlandschaft, das sehr abhängig auch von kleinen Änderungen der Standortbedingungen sei. Sich selbst überlassen würde der Wald immer weiter in Richtung Offenland drängen und den Waldrand überwachsen. Nur durch regelmäßiges Mähen der vorgelagerten Krautschicht und andere Pflegemaßnahmen könne der im Sinn des Naturschutz ideale Aufbau eines Waldrands über längere Zeit erhalten werden.

Ein ökologisch wertvoller Waldrand weise idealerweise eine Tiefe von ca. 20 bis 40 Metern auf, in der eine Krautschicht in eine Strauchschicht, dann eine Schicht mit niedrigeren Bäumen zweiter Ordnung und schließlich in den äußersten Standort der Waldbaumarten übergehe. „Der Waldrand stellt nicht nur Lebensraum der Tiere und Pflanzen sowohl des Offenlandes als auch des Waldes dar, sondern ist darüber hinaus auch Lebensraum für Arten, die sich auf Waldränder spezialisiert haben“, so der Experte. „Insofern ist der Artenreichtum hier größer als die Summe der Arten im angrenzenden Offenland und Wald“. Auf die Nachfrage von Leonhard Strasser vom ÖJV erläuterte Poschner, dass der Waldrand auch der natürliche Lebensraum des Rehs sei, der Äsung und Deckung böte. Der Verlust naturnaher Waldränder sei daher auch eine Ursache dafür, dass sich dasRehwild vermehrt Unterstände und Äsung im Wald selbst suche.

Ein idealer Waldrand böte von der Blüte der Weide und Vogelkirsche im Frühjahr bis zur Blüte der Brombeere im Hoch- und Spätsommer Bienen und anderen Insekten ein überreiches Angebot an Pollen und Nektar, denn als Folge der günstigeren Lichtverhältnisse fänden sich am Waldrand viel mehr Pflanzen- und Baumarten mit unterschiedlichen Blühzeiten als im Waldinneren, so dass über Monate hinweg ein Nahrungsangebot bereit stehe. Gleichzeitig stelle der Waldrand überhaupt einen Standort für lichtbedürftige Baumarten wie Eiche und Ulme bereit, die bei uns im Waldinneren gegen die Schattenbaumarten Tanne, Fichte und Buche nicht konkurrenzfähig seien. Auch könnten hier aufgrund der guten Lichtverhältnisse die selten gewordenen Wildobstbäume wachsen, die im Wald nicht bis zum Licht gelangen könnten. So stehe der Wildapfel mittlerweile auf der Roten Liste der gefährdeten Pflanzen.

Der Weg der Exkursion führte von einem eher trockenen Standort mit Schlehen und Eichen einen Hang zu einem feuchteren Standort mit Mädesüß und Schwarzerle hinab. Max Poschner konnte den Teilnehmern, darunter auch einige Waldbesitzer, eindrucksvoll zeigen, wie sich die Unterschiede im Standort auf die Pflanzengesellschaft am Waldrand auswirken. Fast mit jedem Schritt wurde eine neue Art gefunden, so kamen auf wenigen hundert Metern rund 25 Baum- und Straucharten zusammen. Dabei handelt es sich nicht um Pflanzungen, sondern um natürlich aufkommende Vegetation. Diese ist nicht nur kostenlos, sondern auch standortgerecht und aus autochtonem Samenmaterial.

Die günstigeren Lichtverhältnisse erlauben es den Bäumen auch, ihren Holzzuwachs verstärkt in Dicken- statt Längenwachstum zu investieren. Aufgrund der Mächtigkeit der Stämme werde daher das Alter von Bäumen am Waldrand oft überschätzt. Waldränder würden wegen ihrer Schutzfunktion oft nicht intensiv sondern als Dauerwald genutzt, daher konnten auch einige eindrucksvolle Biotopbäume wie Eiche, Buche, Esche und Kirsche, mit Baumhöhlen und und Totholz besichtigt werden, die wiederum eigene und einzigartige Lebensräume für viele Tierarten vom Käfer bis zur Fledermaus darstellen.

Es wurde aber auch darüber diskutiert, dass solche Biotopbäume an Wander- und Waldwegen schnell in Konflikt mit der Verkehrssicherungspflicht geraten. Eine regelmäßige Kontrolle und eine Entfernung dürrer Äste mit einer Hubbühne stellten einen unverhältnismäßigen Aufwand dar, so dass solche Bäume an Wegen oft gefällt würden. Der Erhalt dieser Biotopbäume könne im Rahmender waldbaulichen Förderung theoretisch gefördert werden, nur seien vom Ministerium keine Fördergelder bereitgestellt worden. Beate Rutkowski vom Bund Naturschutz forderte, hier noch einmal nachzuhaken, weil gerade der Erhalt dieser Biotopbäume wichtig für den Erhalt der Biodiversität sei.

Leider würden Waldränder immer wieder als Platz zur Entsorgung von Grüngut, Dung oder Bauschutt angesehen. Gerade durch Gartenabfälle und Kies würden standortfremde Pflanzen und Neophyten wie Springkraut und Staudenknöterich an Waldränder eingebracht, klagte der Revierförster. Große Haufen Rasenschnitt o.ä. würden aber das Aufkommen von Naturverjüngung unterdrücken. Besonders betroffen seien die Waldränder, die unmittelbar an Siedlungsgebiete angrenzen.

Alfons Leitenbacher, Leiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Traunstein betonte, dass man immer wieder an die Grundbesitzer appelliere, es darüber hinaus aber nur sehr wenig Möglichkeiten gäbe, einzuschreiten. Ablagerungen, von denen eine Gefährdung des Grund- oder Oberflächenwassers ausgehe, würden angezeigt und verfolgt.

Alfons Leitenbacher wies auch auf das häufige Missverständnis hin, dass überschirmte landwirtschaftliche Flächen am Waldrand aus der Förderung fallen würden. Bei einer Kontrolle anhand von Luftbildern würde zwar zunächst eine Meldung ausgegeben. Diese sei aber nur Anlass für eine Kontrolle vor Ort, für die Förderung maßgeblich sei immer nur die Grenze der tatsächlich bewirtschafteten Fläche. Aus Sicht der Förderung gäbe es also keinen Anlass, über diese Grenze überhängende Äste zu kappen oder grenznahe Bäume zu fällen.

Da ein Waldrand durch den Schattenwurf einen negativen Einfluss auf die unmittelbar benachbarte landwirtschaftliche Fläche habe, sei ein gut gestufter, tiefer Waldrand besser als ein unmittelbarer Übergang zu hohen Bäumen. Insgesamt überwiege jedoch der positive Einfluss auf das Mikroklima in jedem Fall.

Auf die Frage eines Waldbesitzers betonte Max Poschner, dass ein bestehender, geschlossener Waldrand in Richtung Westen nicht nachträglich durch Entnahme einiger Bäume und Ersatz durch Sträucher oder Bäume zweiter Ordnung aufgelockert und umgebaut werden dürfe, da hier die Stabilität und Sturmfestigkeit des gesamten Waldbestands Priorität habe. Wenn es hier nicht möglich sei, einen Streifen mit Kraut- und Strauchschicht vor dem bisherigen Waldrand anzulegen, bliebe nur abzuwarten, bis der Bestand geerntet werde. Die besten Möglichkeiten zur Anlage einesidealen Waldrandes bestünden im Rahmen einer Neu- oder Wiederaufforstung. Auch im Fall des besichtigten Bestands erfolgte die Anlage zu einem großen Teil im Rahmen der Beseitigung von Sturmschäden.

Christian Rutkowski vom AK Wald des Bund Naturschutz Landesverbandes dankte Max Poschner und Alfons Leitenbacher für die informative Führung und freute sich, dass den Teilnehmern eine sogroße Vielfalt an Waldrand-Pflanzen gezeigt werden konnte:

Sträucher:
•Brombeere
•Hasel
•Himbeere
•Hundsrose
•Pfaffenhütchen
•Roter Hartriegel
•Schlehe
•Schwarzer Holunder
•Traubenkirsche
•Vogelkirsche

Bäume:
•Bergahorn
•Feldahorn
•Flatterulme
•Hainbuche
•Fichte
•Rotbuche
•Salweide
•Schwarzerle
•Silberweide
•Sommerlinde
•Stieleiche
•Tanne
•Wildkirsche

 Christian Rutkowski