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Exkursion „Waldrand – Mehr als nur der Anfang des Waldes“ am 01. Juli 2016

„Waldrand – Mehr als nur der Anfang des Waldes“ war das Thema der diesjährigen Waldexkursion der Kreisgruppe Traunstein des Bund Naturschutz e.V., die in Kooperation mit dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Traunstein durchgeführt wurde.

Revierförster Max Poschner zeigte den interessierten Teilnehmern am Beispiel einer Fläche in kirchlichem Besitz bei Otting, wie strukturreich ein möglichst naturnaher Waldrand sein kann. Er machte aber gleichzeitig deutlich, dass ein Waldrand als stufenweiser Übergang von der landwirtschaftlich genutzten Fläche im Offenland zum Wald eben kein natürlicher Landschaftsbestandteil sei, sondern ein durch menschliche Tätigkeit entstandenes Strukturelementunserer Kulturlandschaft, das sehr abhängig auch von kleinen Änderungen der Standortbedingungen sei. Sich selbst überlassen würde der Wald immer weiter in Richtung Offenland drängen und den Waldrand überwachsen. Nur durch regelmäßiges Mähen der vorgelagerten Krautschicht und andere Pflegemaßnahmen könne der im Sinn des Naturschutz ideale Aufbau eines Waldrands über längere Zeit erhalten werden.

Ein ökologisch wertvoller Waldrand weise idealerweise eine Tiefe von ca. 20 bis 40 Metern auf, in der eine Krautschicht in eine Strauchschicht, dann eine Schicht mit niedrigeren Bäumen zweiter Ordnung und schließlich in den äußersten Standort der Waldbaumarten übergehe. „Der Waldrand stellt nicht nur Lebensraum der Tiere und Pflanzen sowohl des Offenlandes als auch des Waldes dar, sondern ist darüber hinaus auch Lebensraum für Arten, die sich auf Waldränder spezialisiert haben“, so der Experte. „Insofern ist der Artenreichtum hier größer als die Summe der Arten im angrenzenden Offenland und Wald“. Auf die Nachfrage von Leonhard Strasser vom ÖJV erläuterte Poschner, dass der Waldrand auch der natürliche Lebensraum des Rehs sei, der Äsung und Deckung böte. Der Verlust naturnaher Waldränder sei daher auch eine Ursache dafür, dass sich dasRehwild vermehrt Unterstände und Äsung im Wald selbst suche.

Ein idealer Waldrand böte von der Blüte der Weide und Vogelkirsche im Frühjahr bis zur Blüte der Brombeere im Hoch- und Spätsommer Bienen und anderen Insekten ein überreiches Angebot an Pollen und Nektar, denn als Folge der günstigeren Lichtverhältnisse fänden sich am Waldrand viel mehr Pflanzen- und Baumarten mit unterschiedlichen Blühzeiten als im Waldinneren, so dass über Monate hinweg ein Nahrungsangebot bereit stehe. Gleichzeitig stelle der Waldrand überhaupt einen Standort für lichtbedürftige Baumarten wie Eiche und Ulme bereit, die bei uns im Waldinneren gegen die Schattenbaumarten Tanne, Fichte und Buche nicht konkurrenzfähig seien. Auch könnten hier aufgrund der guten Lichtverhältnisse die selten gewordenen Wildobstbäume wachsen, die im Wald nicht bis zum Licht gelangen könnten. So stehe der Wildapfel mittlerweile auf der Roten Liste der gefährdeten Pflanzen.

Der Weg der Exkursion führte von einem eher trockenen Standort mit Schlehen und Eichen einen Hang zu einem feuchteren Standort mit Mädesüß und Schwarzerle hinab. Max Poschner konnte den Teilnehmern, darunter auch einige Waldbesitzer, eindrucksvoll zeigen, wie sich die Unterschiede im Standort auf die Pflanzengesellschaft am Waldrand auswirken. Fast mit jedem Schritt wurde eine neue Art gefunden, so kamen auf wenigen hundert Metern rund 25 Baum- und Straucharten zusammen. Dabei handelt es sich nicht um Pflanzungen, sondern um natürlich aufkommende Vegetation. Diese ist nicht nur kostenlos, sondern auch standortgerecht und aus autochtonem Samenmaterial.

Die günstigeren Lichtverhältnisse erlauben es den Bäumen auch, ihren Holzzuwachs verstärkt in Dicken- statt Längenwachstum zu investieren. Aufgrund der Mächtigkeit der Stämme werde daher das Alter von Bäumen am Waldrand oft überschätzt. Waldränder würden wegen ihrer Schutzfunktion oft nicht intensiv sondern als Dauerwald genutzt, daher konnten auch einige eindrucksvolle Biotopbäume wie Eiche, Buche, Esche und Kirsche, mit Baumhöhlen und und Totholz besichtigt werden, die wiederum eigene und einzigartige Lebensräume für viele Tierarten vom Käfer bis zur Fledermaus darstellen.

Es wurde aber auch darüber diskutiert, dass solche Biotopbäume an Wander- und Waldwegen schnell in Konflikt mit der Verkehrssicherungspflicht geraten. Eine regelmäßige Kontrolle und eine Entfernung dürrer Äste mit einer Hubbühne stellten einen unverhältnismäßigen Aufwand dar, so dass solche Bäume an Wegen oft gefällt würden. Der Erhalt dieser Biotopbäume könne im Rahmender waldbaulichen Förderung theoretisch gefördert werden, nur seien vom Ministerium keine Fördergelder bereitgestellt worden. Beate Rutkowski vom Bund Naturschutz forderte, hier noch einmal nachzuhaken, weil gerade der Erhalt dieser Biotopbäume wichtig für den Erhalt der Biodiversität sei.

Leider würden Waldränder immer wieder als Platz zur Entsorgung von Grüngut, Dung oder Bauschutt angesehen. Gerade durch Gartenabfälle und Kies würden standortfremde Pflanzen und Neophyten wie Springkraut und Staudenknöterich an Waldränder eingebracht, klagte der Revierförster. Große Haufen Rasenschnitt o.ä. würden aber das Aufkommen von Naturverjüngung unterdrücken. Besonders betroffen seien die Waldränder, die unmittelbar an Siedlungsgebiete angrenzen.

Alfons Leitenbacher, Leiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Traunstein betonte, dass man immer wieder an die Grundbesitzer appelliere, es darüber hinaus aber nur sehr wenig Möglichkeiten gäbe, einzuschreiten. Ablagerungen, von denen eine Gefährdung des Grund- oder Oberflächenwassers ausgehe, würden angezeigt und verfolgt.

Alfons Leitenbacher wies auch auf das häufige Missverständnis hin, dass überschirmte landwirtschaftliche Flächen am Waldrand aus der Förderung fallen würden. Bei einer Kontrolle anhand von Luftbildern würde zwar zunächst eine Meldung ausgegeben. Diese sei aber nur Anlass für eine Kontrolle vor Ort, für die Förderung maßgeblich sei immer nur die Grenze der tatsächlich bewirtschafteten Fläche. Aus Sicht der Förderung gäbe es also keinen Anlass, über diese Grenze überhängende Äste zu kappen oder grenznahe Bäume zu fällen.

Da ein Waldrand durch den Schattenwurf einen negativen Einfluss auf die unmittelbar benachbarte landwirtschaftliche Fläche habe, sei ein gut gestufter, tiefer Waldrand besser als ein unmittelbarer Übergang zu hohen Bäumen. Insgesamt überwiege jedoch der positive Einfluss auf das Mikroklima in jedem Fall.

Auf die Frage eines Waldbesitzers betonte Max Poschner, dass ein bestehender, geschlossener Waldrand in Richtung Westen nicht nachträglich durch Entnahme einiger Bäume und Ersatz durch Sträucher oder Bäume zweiter Ordnung aufgelockert und umgebaut werden dürfe, da hier die Stabilität und Sturmfestigkeit des gesamten Waldbestands Priorität habe. Wenn es hier nicht möglich sei, einen Streifen mit Kraut- und Strauchschicht vor dem bisherigen Waldrand anzulegen, bliebe nur abzuwarten, bis der Bestand geerntet werde. Die besten Möglichkeiten zur Anlage einesidealen Waldrandes bestünden im Rahmen einer Neu- oder Wiederaufforstung. Auch im Fall des besichtigten Bestands erfolgte die Anlage zu einem großen Teil im Rahmen der Beseitigung von Sturmschäden.

Christian Rutkowski vom AK Wald des Bund Naturschutz Landesverbandes dankte Max Poschner und Alfons Leitenbacher für die informative Führung und freute sich, dass den Teilnehmern eine sogroße Vielfalt an Waldrand-Pflanzen gezeigt werden konnte:

Sträucher:
•Brombeere
•Hasel
•Himbeere
•Hundsrose
•Pfaffenhütchen
•Roter Hartriegel
•Schlehe
•Schwarzer Holunder
•Traubenkirsche
•Vogelkirsche

Bäume:
•Bergahorn
•Feldahorn
•Flatterulme
•Hainbuche
•Fichte
•Rotbuche
•Salweide
•Schwarzerle
•Silberweide
•Sommerlinde
•Stieleiche
•Tanne
•Wildkirsche

 Christian Rutkowski