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Bäume pflanzen gegen den Klimawandel?

30 Millionen Bäume will der Freistaat Bayern innerhalb von fünf Jahren pflanzen, auch als Maßnahme gegen den Klimawandel. So hat es Ministerpräsident Markus Söder im Sommer 2019 angekündigt. Das klingt nach einer entschlossenen Aktion. Aber binden diese Bäume wirklich genügend Kohlendioxid (CO2), um die Erwärmung zu verlangsamen?

Wie viel CO2 bindet der Wald?

Bei der Photosynthese nehmen die Pflanzen CO2 aus der Atmosphäre auf um Traubenzucker zu bilden. Der Traubenzucker wird vom Baum weiter verwendet, zum Beispiel um den Holzkörper aufzubauen. Am Ende wird also CO2 als Kohlenstoff im Holz von Stamm, Ästen und Wurzeln gespeichert. Dabei macht der Kohlenstoff etwa die Hälfte des Trockengewichts des Holzes aus.

Die jährliche Bindung von CO2 entspricht also dem jährlichen Holzzuwachs in unseren Wäldern. Wie groß dieser ist, hängt von vielen Faktoren ab: Baumart, Alter und Wachstumsbedingungen wie Klima, Wasser- und Nährstoffversorgung. Eine grobe Abschätzung ist dennoch möglich: Ein Hektar Wald speichert pro Jahr über alle Baumarten, Altersklassen und Standorte hinweg ca. 13 Tonnen CO2.

Nach der Bundeswaldinventur 2012 hat Deutschland eine Waldfläche von 11,4 Mio. Hektar und Bayern eine Waldfläche von 2,6 Mio. Hektar. Nach der groben Abschätzung entspricht dies einer jährlichen Bindung von ca. 148 Mio. Tonnen CO2 für Deutschland und knapp 34 Mio. Tonnen für Bayern.

Die freigesetzte Gesamtmenge CO2 in Deutschland ist von 1990 bis 2017 von über 1 Milliarde Tonnen auf 798 Millionen Tonnen gesunken. Dabei stagnierten die Werte in den letzten zehn Jahren. Im Jahr 2019 sind die Emissionen deutlich gesunken. Es wird weniger Kohle zur Stromgewinnung verbrannt – der Emissionshandel macht den Kohlestrom teurer. Aber selbst um 700 Mio. Tonnen CO2 zu binden, würden knapp 54 Mio. Hektar Wald benötigt. Das ist knapp das fünffache der heutigen Waldfläche. Deutschland hat eine Gesamtfläche von 35,7 Mio. Hektar. Wir müssten also die anderthalbfache Fläche Deutschlands als Wald zur Verfügung haben, damit der Holzzuwachs unsere CO2 Emissionen binden kann. Oder wir lassen Deutschland wie es ist, aber reduzieren unsere Emissionen auf ein Fünftel.

Wie viel sind 30 Millionen Bäume?

Wenn man sie pflanzen muss, dann machen 30 Millionen Bäume natürlich sehr viel Arbeit. Wenn man die Setzlinge in Pflanztöpfen mit 7,5 cm Durchmesser nebeneinander stellt, gibt das eine Allee entlang der Autobahn quer durch Bayern von Traunstein nach Aschaffenburg – fünfreihig, also je zwei Reihen links und rechts der Autobahn und eine auf dem Mittelstreifen.

Auf die Waldfläche in Bayern bezogen sieht die Zahl aber gar nicht mehr so groß aus. Nach der Bundeswaldinventur 2012 hat Bayern eine Waldfläche von 2,6 Mio. Hektar. Pro Hektar würden also 12 Bäume gepflanzt. Nimmt man nur die Fläche des Staatswalds von 0,8 Mio. ha, dann wären es immerhin 37 Bäume pro Hektar. Das ist immer noch viel Arbeit.

Aber nach der Bundeswaldinventur entfallen auf Bayern rund 20 Milliarden Bäume, davon 1,7 Mrd. Bäume mit einem Stammdurchmesser von mehr als 7 cm in Brusthöhe (BHD). Und auf die Fläche des Staatswalds 6,3 Mrd. Bäume bzw. über 0,5 Mrd. Bäume mit mehr als 7 cm BHD. Dagegen sind die 0,03 Mrd. Setzlinge, die gepflanzt werden sollen, eine kleine Zahl.

Die Zahlen zeigen auch, dass nicht einmal jeder zehnte Sämling oder Setzling, der bei der Bundeswaldinventur gezählt wurde, es überhaupt bis zu 7 cm BHD schafft. 90% des Aufwands für die Pflanzung sind verlorene Mühe. Kommen an einer Stelle mehr Setzlinge auf, machen sie zusätzliche Mühe, weil ein Teil von ihnen bei einer Durchforstung wieder entnommen werden muss.

Und kurzfristig helfen die jungen Bäumchen nur wenig, um unsere CO2 Emissionen zu binden. Unter optimalen Bedingungen kann nach den Schätztabellen der LWF ein Buchenbestand in den ersten 20 Jahren einen Holzvorrat von 50 fm/ha bilden. Das entspricht dann 100 t/ha gebundenem CO2 oder über die ersten 20 Jahre 5 t/ha jährlich. Unter durchschnittlichen Bedingungen ist vielleicht die Hälfte davon zu erwarten. Ein hundertjähriger Bestand mit einem Vorrat von 400 fm/ha (das entspricht dem Landesdurchschnitt) kommt im Durchschnitt auf jährlich 5,6 t/ha gebundenem CO2. Unbewirtschaftete, naturnahe Buchenbestände können nach 100 Jahren aber bis zu 800 fm/ha Vorrat aufweisen, das entspricht jährlich 10,4 t/ha gebundenem CO2. Die Zahlen geben jeweils nur die CO2-Bindung im Holz an, weiteres CO2 wird in den Wurzeln und in dem aus der Laubstreu gebildeten Humus gebunden.

Holz wächst bevorzugt an altem Holz. Wenn die Politik mehr CO2 im Wald gespeichert sehen möchte, dann sollte sie eher über mehr Naturnähe in unseren Wäldern und entsprechend höhere Holzvorräte pro Hektar nachdenken als über Millionen von Setzlingen.

Laut Landwirtschaftsministerium müssen für einen Hektar Hauptbestand zwischen 6700 bis 8000 Rotbuchen gepflanzt werden. Die 30 Mio. Setzlinge reichen also für gut 4000 ha. Nimmt man durchschnittliche Bedingungen und einen Vorratsaufbau von 30 fm/ha innerhalb von 20 Jahren an, dann kommt man auf ca. 0,25 Mio. t CO2, die in den ersten 20 Jahren insgesamt gespeichert werden. Der bestehende Wald Bayerns speichert nach der Faustformel in 20 Jahren rund 680 Mio. t. Der Beitrag der angekündigten Pflanzung zur CO2-Speicherung im Wald ist also zu vernachlässigen.

Nehmen wir für einen PKW eine CO2-Emission von 120 g/km an, dann sind das für eine Fahrt von Traunstein nach Aschaffenburg 55 kg. Die 30 Mio. Setzlinge absorbieren in 20 Jahren die Emission von 4,5 Mio. Fahrten quer durch Bayern, das sind 26 Fahrten pro Stunde. Auf der Autobahn ist mehr Verkehr, selbst nachts.

Bei der Exkursion „Tanne hat Zukunft“ der Kreisgruppe haben wir einen willkürlich ausgewählten Quadratmeter Fläche im Wirtschaftswald abgesteckt und die Sämlinge gezählt. Auf einen Hektar hochgerechnet sind wir auf die unglaubliche Zahl von über 400.000 Sämlingen gekommen. Eine funktionierende Naturverjüngung und eine Jagd, die den Aufwuchs aller Baumarten ohne Zaun und ohne Einzelpflanzenschutz erlaubt, hat also ein ungleich größeres Potential als alle noch so engagierten Pflanzungen und ist praktisch kostenlos.Wenn die Politik also auf den Nachwuchs im Wald setzt, dann muss sie vor allem die Bedingungen für die Naturverjüngung des Waldes verbessern und bei den jagdlichen Konzepten und Vorgaben ansetzen.

Und was passiert mit dem gespeicherten CO2?

Der im Holz eines Baumes gespeicherte Kohlenstoff bleibt dort natürlich nicht für alle Zeit. Irgendwann stirbt der Baum ab und seine Zersetzung beginnt. Dabei wird ein Teil des Kohlenstoffs in Umkehrung der Photosynthese-Reaktion wieder zu CO2 oxidiert und freigesetzt. Der Rest findet sich im Humus wieder. Dasselbe gilt für das verrottende Laub. Humus besteht zu über der Hälfte aus Kohlenstoff. In wirtschaftlich nicht genutztem Wald wurde in einer Studie der TU München ein durchschnittlicher Kohlenstoffvorrat im Boden entsprechend 620 t/ha gebundenem CO2 gemessen. Allerdings geht der Humusaufbau auch in diesen Wäldern nur sehr langsam vor sich. Dafür könnte im Humus CO2 über Generationen von Bäumen gebunden bleiben.

Aber nutzen wir diese CO2-Senke? Großflächig ist Humusabbau und -verlust auch im Wald anzuprangern. Gerade der Bergwald ist derzeit besonders von Humusabbau betroffen. Selbst im nicht bewirtschafteten Bergwald hat sich im Zeitraum zwischen 1986 und 2011 der Humusvorrat der Waldböden um durchschnittlich 14% verringert. Am stärksten fiel der Humusverlust in Böden aus Kalk- oder Dolomitgestein aus. Diese büßten im Durchschnitt knapp ein Drittel ihrer Humusmasse ein. Besonders betroffen ist der Bergwald in den Chiemgauer und Berchtesgadener Alpen, da hier die mittlere Lufttemperatur in den Sommermonaten besonders stark angestiegen ist. Humusabbau und -verlust sind eine unmittelbare Folge des Klimawandels und bedrohen den Erhalt unserer Wälder.

Für Wirtschaftswald fand dieselbe Studie nur einen Humusvorrat entsprechend einer CO2-Bindung von 326 t/ha im Durchschnitt. Themen wie Ganzbaumentnahme oder Bodenverdichtung durch das Befahren mit schweren Maschinen spielen dabei zusätzlich zum Klimawandel eine Rolle.

Der Abbau von Humus setzt den gespeicherten Kohlenstoff wieder als CO2 frei. Politik und Forstwirtschaft müssten sich also dringend Gedanken um den Erhalt unserer Humusauflage und ihren Wiederaufbau machen. Von zentraler Bedeutung sind dabei gegen Extremereignisse stabile Mischwälder, die sich durch eine Mischung unterschiedlich alter Bäume möglichst verschiedener Baumarten auszeichnen. Die Bäume dieser Wälder liefern laufend Blätter, Nadeln, Wurzeln oder Reisig, aus denen neuer Humus entsteht. Ein selbst in heißen Sommern konstant kühles „Waldklima“ verlangsamt in diesen Wäldern den Humusabbau durch Bodenmikroorganismen. Im Bergwald verhindert dieser Wald außerdem erosionsbedingte Humusverluste durch Starkregen, Schneegleiten oder Lawinen.

Nur wenige Bäume dürfen aber überhaupt noch ihr natürliches Alter erreichen und anschließend zu Humus zerfallen. Im Durchschnitt erreichen Bäume im Wirtschaftswald nur rund ein Drittel ihres natürlichen Alters. In Bayern sind in den Jahren 2002 bis 2012 jährlich rund 29,5 Mio. Kubikmeter Holz zugewachsen. Im selben Zeitraum wurden jährlich rund 28,1 Mio. Kubikmeter Holz forstwirtschaftlich genutzt.

Die Aussage, dass die forstwirtschaftliche Nutzung die Dauer der Bindung von Kohlenstoff erhöht, trifft wohl nur in Ausnahmefällen zu. Insbesondere der Holzbau würde hier Möglichkeiten bieten. Ob ein heute gebautes Holzhaus aber so lange stehen darf wie die alten Bauernhäuser, die wir in den Freilichtmuseen bewundern können, scheint fraglich. Und wenn, wie im Fall des Parkhaus Scheibenstraße in Traunstein, das Gebäude nach rund 25 Jahren abgerissen und der Dachstuhl zu Altholz wird, wäre der Kohlenstoff im Baum sicher länger gebunden gewesen. Von der Holznutzung für Zellulose- und Papierherstellung, für Paletten oder Kaminholz ganz zu schweigen. Natürlich ist es richtig, dass dafür in erster Linie Holz aus Durchforstungen verwendet wird – für die Dauer der CO2-Speicherung spielt das keine Rolle. Wird Holz am Ende verbrannt, gelangt der gesamte gespeicherte Kohlenstoff wieder als CO2 in die Atmosphäre.

Unser Ziel muss es sein, Kohlenstoff so lange wie möglich zu binden – im Humus, im Baum und in langlebigen Holzprodukten oder in Holzhäusern für Generationen.

Wo finde ich mehr Informationen?

Die Daten der dritten Bundeswaldinventur 2012 wurden vom Bundesminsterium für Ernährung und Landwirtschaft auf einer eigenen Seite www.bundeswaldinventur.de im Internet veröffentlicht. Dort ist auch das Aufnahmeverfahren zur Zählung der Bäume detailliert beschrieben. Die entsprechenden Daten für Bayern finden sich auf den Seiten der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) im Internet und in einer als LWFspezial „Nachhaltig und naturnah - Wald und Forstwirtschaft in Bayern“ veröffentlichten Broschüre.

Die Schätztabellen zur Kohlenstoffspeicherung von Bäumen finden sich im LWF Merkblatt 27 (2011) und können als PDF heruntergeladen werden. Die verwendete Faustformel findet sich mit ähnlichen Werten auf mehreren Seiten im Internet, z.B. bei der „Stiftung Unternehmen Wald“.

Eine Zusammenfassung der Erkenntnisse zum Humusabbau im Bergwald bietet der Artikel von R. Baier, M. Wilnhammer und A. Göttlein „Ohne Humus geht’s bergab“ in LWFaktuell 111 (4/2016) S. 42-45.

Die zitierte Studie der TU München von D. Christophel, S. Spengler, B. Schmidt, J. Ewald, J. Prietzel „Customary selective harvesting has considerably decreased organic carbon and nitrogen stocks in forest soils of the Bavarian Limestone Alps“ wurde veröffentlicht in Forest Ecology and Management 305 (2013) S.167–176. Die Studie von J. Prietzel, L. Zimmermann, A. Schubert and D. Christophel: „Organic matter losses in German Alps forest soils since the 1970s most likely caused by warming“ (2016) ist einsehbar unter DOI: 10.1038/NGEO2732.