Alleen: Ein grünes Band in unserer Landschaft
Es gibt auch in unserem Landkreis einige besondere Alleen und in Traunstein sogar ein ganzes Stadtviertel, das durch seine Alleen geprägt ist. Grund genug, sich mit ihrem ökologischen Wert und ihrer Gefährdung zu beschäftigen: Alleen sind wertvoll und geschützt, aber gefährdet und pflegebedürftig.

Meistens bringen wir Alleen mit dem Nordosten Deutschlands in Verbindung. Dabei gibt es auch in unserem Landkreis einige besondere Alleen und in Traunstein sogar ein ganzes Stadtviertel, das durch seine Alleen geprägt ist. Grund genug, sich mit ihrem ökologischen Wert und ihrer Gefährdung zu beschäftigen.
Besondere Alleen im Landkreis Traunstein

Die mittelalterliche Landschaft in Europa kannte keine Alleen. Ihre Erfindung scheint mit der Entdeckung der Perspektive durch den italienischen Architekten und Bildhauer der Frührenaissance Filippo Brunelleschi (1377-1446) um 1420 zusammenzuhängen. In der Renaissance begannen Sichtachsen Haus, Garten und Landschaft zu strukturieren. Ausgehend von einem ersten Höhepunkt der Alleebaukunst im fürstlichen Barockgarten verbreiteten sich die Baumalleen in die Landschaft hinaus, auch als Sinnbild des Herrschaftsanspruchs adeliger Grundherren. In unserem Landkreis lässt sich das an der Nikolausallee in Stein gut nachvollziehen. Mitte des 18. Jahrhunderts angelegt, läuft sie als Sichtache vom Schlosstor schnurgerade in die freie Landschaft hinaus und lenkt den Blick auf die Nikolauskapelle, eigentlich eher ein barocker Pavillion, an ihrem Ende.
Mit zunehmendem bürgerlichen Wohlstand hielten die Alleen auch Einzug in die Villenviertel unserer Städte: Das Quartier mit der Leonrodstraße und ihren Seitenstraßen in Traunstein ist ein ebenso schönes wie in seinem fast geschlossenen Bestand seltenes Beispiel hierfür. Als besonders repräsentativ galten damals wegen der großen Blütenstände Kastanien. So war es naheliegend, die beiden Straßen vom 1860 neu erbauten Bahnhof in die Stadtmitte als Kastanienallee zu gestalten.
Der beginnende Tourismus, damals noch als Sommerfrische bezeichnet, ließ Alleen im Umfeld von Kuranlagen entstehen, so von Waging hinunter zum Strandkurhaus. Dabei begleiten die alten Bäume heute den Fußweg und grenzen ihn von der modernen Straße ab.
In der freien Landschaft begleiteten Alleen und Baumreihen auch bei uns zunehmend die Verkehrswege, selbst wenn es sich nur um Wirtschaftswege wie vom Bahnhof Otting hinauf nach Gessenberg handelte. Sehr markant, aber heute vom Verkehr stark gefährdet ist die Klosterallee in Seeon an der Staatsstraße nach Seebruck.

Alleen sind wertvoll

Alleen sind ein wertvoller Bestandteil unserer Kulturlandschaft und tragen wesentlich zum Landschaftsbild bei. Sie verbinden voneinander getrennte Lebensräume und sie bieten selbst Lebensraum für Vögel, Insekten und Kleinsäuger. Alleen spenden Schatten, verringern den Straßenlärm und binden Staub und Abgase. Alte Alleen stellen einmalige Ansammlungen von Altbäumen dar, wie sie in unserer von Nutzung geprägten Landschaft in dieser Dichte ansonsten kaum noch zu finden sind.
Alleen sind Lebensraum und Ausbreitungslinien für viele Insektenarten. Jede Baumart hat ihre spezielle Bedeutung für Insekten, ob als Nahrungslieferant oder Brutraum. Insbesondere alte Alleen können in einer Kulturlandschaft letzte Refugien für seltene Arten sein. In einer alten Linden- und Eichenallee bei Potsdam wurden an sieben Bäumen 6137 Käfer aus 341 Arten nachgewiesen. Es fanden sich 71 Rote-Liste-Arten, davon sind 26 Arten nach Bundesartenschutzverordnung „besonders geschützt“. Unter den nachgewiesenen 129 Totholzkäferarten befanden sich 20 Indikatorarten für historisch alte Bestände sowie sechs sogenannte Urwaldreliktarten. Ferner wurden an fünf von zehn untersuchten Bäumen besonders geschützte Flechten nachgewiesen. Bei einer Untersuchung von sechs alten Alleen in Schleswig-Holstein wurden 8.446 Käferindividuen bestimmt, wobei 589 Käferarten festgestellt wurden, von denen 151 in einer der für den Bezugsraum relevanten Roten Listen (RL) geführt werden.
Bei der letzteren Untersuchung wurden außerdem 193 Arten von Nachtfaltern mit 1.776 Individuen nachgewiesen, wobei nicht alle jahreszeitlichen Aspekte berücksichtigt sind. Die Alleebäume dienen Nachtfaltern als Leitlinien und Verbindungswege, ihre Blätter als Raupenfutterpflanze. Für die erwachsenen Nachtfalter kommt den Alleen eine große Bedeutung als Schutz- und Ruhezone zu. Die Alleebäume weisen oft Spalten und Risse, teils auch Aushöhlungen auf. Diese dienen als Tages- verstecke sowie als Überwinterungsquartiere für Falterüberwinterer und natürlich als Raupenverstecke.
Alleen bieten in Deutschland etwa 90 Brutvogelarten geeignete Brutplätze, selbst Bodenbrütern. Die Bäume sind Rastplatz beim Vogelzug, Ansitzwarte bei der Nahrungssuche und bieten selbst eine Fülle an Nahrung.
Von den in Deutschland vorkommenden 25 Fledermausarten ist ein erheblicher Teil auf alte Bäume angewiesen. Baumhöhlen werden besonders als Sommer- aber auch als Winterquartier genutzt. Alleen helfen Fledermäusen, z. B. Zwergfledermaus oder Großer Abendsegler, bei der Echoorientierung zwischen Quartier und Jagdgebiet und bieten ihnen ein vielfältiges Nahrungsangebot. Die meisten Fledermausarten ernähren sich von Insekten, die sie teilweise im Flug erbeuten oder direkt von den Blättern greifen.
Alleen sind für den Menschen eine Bereicherung und sind ein wesentlicher Bestandteil einer lebenswerten Umwelt. Vor allem in Städten tragen sie zu einem spürbaren Wohlbefinden der Menschen bei, indem sie über Beschattung und Staubbindung die kleinklimatischen Verhältnisse in ihrer Umgebung nachhaltig verbessern.
Alleen sind gefährdet
In Traunstein wirkt die Kastanienallee in der Crailsheimstraße noch intakt, aber beim genaueren Hinsehen bemerkt man doch etliche Lücken: Hier mussten Bäume Parkbuchten und breiten Hofzufahrten weichen. Statt der auf historischen Aufnahmen noch zu sehenden Baumreihe in der Ludwigstraße findet man noch wenige Einzelbäume in meist viel zu kleinen Baumscheiben, dafür Bushaltestellen, Abbiegespuren und natürlich wieder Parkbuchten.
Innerhalb wie außerhalb unserer Städte ist es die Forderung nach breiteren Straßen, die viele Alleen verschwinden ließ: In der alten Bundesrepublik mussten von 1949 bis 1990 an knapp 50.000 Kilometern Straßennetz die Alleen breiteren Fahrbahnen weichen. Innerhalb der Städte ist uns der ruhende Verkehr wichtiger als die Beruhigung unserer Straßen durch Alleebäume, außerhalb wollen wir lieber schnell als schön von A nach B kommen und sehen in Alleebäumen nur eine erhöhte Unfallgefahr.
Dass es Alleebäumen schlecht geht, sieht man an folgenden Symptomen:
• reduziertes Dicken- und Längenwachstum nachgepflanzter Bäume
• regelmäßig kleinere und vorzeitig vergilbende Blätter als bei anderen Bäumen der gleichen Art
• Blattrand- und Nadelnekrosen, teilweise dürre Kronenpartien
• beschleunigte Fäulnisprozesse
• erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten und Schädlinge
Im Umfeld der Strassenbäume in der Stadt herrschen oft sehr ungünstige Verhältnisse. Bei den Böden unmittelbar neben der Fahrbahn handelt es sich meist um künstlich verdichtete Aufschüttungen mit Bauabfällen und anderen Beimischungen. Das notwendige Leitungsnetz für Trink- und Abwasser, Gas, Strom und Kommunikation engt den ohnehin nicht üppigen Wurzelraum der Alleebäume in unseren Städten ein und Wurzelwachstum in den Leitungstrassen schafft Konfliktpotential. Nachteilige Auswirkungen haben zu kleine Baumscheiben, fehlende oder ungenügende Nährstoffversorgung, geschädigte oder fehlende Mykorrhiza, Beschädigungen der Wurzeln und der Rinde, Hundefäkalien oder austretendes Motorenöl.
Jeden Winter bringen wir Tonnen von Streusalz auf unseren Straßen aus. Im innerstädtischen Bereich werden schätzungsweise bis zu 40 % der ausgebrachten Salzmenge mit dem Schmelzwasser in den Boden am Straßenrand befördert, weitere 5 bis 15% in Form von Gischt und Aerosolen versprüht und gelangen direkt an Knospen und Rinde der Bäume.
Streusalz beeinträchtigt die Bäume in mehrfacher Hinsicht. Schädigungen treten sowohl beim direkten Kontakt als auch durch die Aufnahme von salzreichem Bodenwasser über die Wurzeln auf. Braune, abgestorbene Blattränder, sogenannte Nekrosen, bis hin zur Austrocknung, der Wipfeldürre, sind die äusserlich sichtbaren Folgen.
Durch direkten Kontakt mit den Bäumen über Verwehungen, Gischt, Aerosole und Pflugschnee gelangen die Salze auf die Oberfläche der Nadeln, Blätter, Knospen und Rindengewebe. Sie dringen über die Epidermis, die Spaltöffnungen (Stomata) oder die Lentizellen in die Zellen ein. Bei einer Überdosis im Cytoplasma sind sie in der Lage, die Chloroplastenstrukturen anzugreifen und den Chlorophyllabbau zu fördern. Eine Überdosis vermag auch die Enzyme anzugreifen, welche für die Funktion der Proteine bei der Osmose zuständig sind. Dadurch oxydieren verschiedene Stoffe in der Zelle. Die anschliessende Verbräunung der Nadeln und Blätter ist das Ergebnis einer Austrocknung und Verbrennung der Gewebe. Sie tritt erst Monate nach dem Salzkontakt in Erscheinung und ist an den Bäumen und Hecken örtlich auffällig begrenzt. Durch den Eintrag von Salzen werden die Struktur des Bodens und das Bodenleben wesentlich verändert. Zu wenig Bodenluft, Bodenverschlämmung und ein verringertes Nährstoffangebot sind einige Auswirkungen. Für Bäume lebensnotwendige Pilze und Kleinlebewesen werden stark geschädigt oder sterben ab.
Gelangt das salzhaltige Schmelzwasser in den Boden, so findet eine Anreicherung von Na+ - und Cl− -Ionen in der Bodenlösung statt. Das Na+ wird einerseits durch Ionentausch an die Tonminerale gebunden. Beim Ionentausch öffnen sich die Tonminerale und zerfallen allmählich. Bei fortschreitender Dispergierung verschlämmt der Boden, er verdichtet und büsst seine Durchlüftungs- und Wasserleitfähigkeit ein. Daneben bleibt ein grosser Teil des Na+ in der Nährlösung und konkurrenziert dadurch die Aufnahme essenzieller Nährstoffe. Die Cl− -Ionen nehmen unter alkalischen Verhältnissen nicht am Ionenaustausch teil. Sie werden aus der Bodenlösung direkt von den Wurzeln aufgenommen und gelangen dadurch in den Nährstoffkreislauf. Bei hoher Salzkonzentration im Boden müssen die Bäume viel Energie aufwenden, um die Nährsalze über die Wurzeln aufzunehmen. Bleibt dann wenig Wasser für den Ausgleich in den Zellen und für die Transpiration, verursacht dies Defizite und Trockenheitsstress.
Alleen sind schützenswert

Laut § 29 Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG 2009) beruht der Schutz von Alleen als geschützter Landschaftsbestandteil auf ihrer besonderen Bedeutung für den Naturhaushalt, das Landschaftsbild oder ihrer Bedeutung als Lebensraum für eine Vielzahl an Tier- und Pflanzenarten. Handlungen, die zur Schädigung, Zerstörung oder Veränderung des Landschaftsbestandteils führen sind verboten. Sind Eingriffe oder die Beseitigung nicht zu vermeiden, müssen diese durch Ausgleichs- und Ersatzleistungen kompensiert werden.
Das bayerische Naturschutzgesetz legt fest: „Es ist verboten, in der freien Natur Alleen an öffentlichen oder privaten Verkehrsflächen und Wirtschaftswegen zu beseitigen, beschädigen oder auf sonstige Weise erheblich zu beeinträchtigen. [...] Das Verbot nach Satz 1 Nr. 1 gilt nicht für Maßnahmen, die zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit öffentlicher Verkehrswege [...] erforderlich sind.“
Der BUND Naturschutz fordert eine vernünftige Abwägung zwischen der Verkehrssicherheit und dem Schutz von Alleen. Die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht sind nicht gesetzlich definiert. Eine ganze Reihe von Gerichtsurteilen stellt fest, dass bei der Kollision naturschutzrechtlicher Belange mit Belangen der Verkehrssicherheit letzteren keinesfalls pauschal der Vorrang gebührt. Vielmehr setzt die Befreiung vom Alleenschutz voraus, dass eine Erhaltung der Bäume mit zumutbarem Aufwand nicht sichergestellt werden kann und die Beseitigung der Bäume letztlich die einzige zumutbare Möglichkeit darstellt, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten.
Der BUND Naturschutz setzt sich auch aktiv für den Schutz von Alleen ein. Die Klosterallee in Seeon wurde auf Initiative unserer Ortsgruppe als Naturdenkmal unter Schutz gestellt.
Alleen sind pflegebedürftig
Alleen sind kein Dauerwald. Sie erhalten sich nicht von alleine, sondern erfordern regelmäßige Pflege, bei der die Belange von Naturschutz und Verkehrssicherheit sorgsam gegeneinander abzuwägen sind.
Das Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr nennt in seiner Publikation „Ökologische Aufwertung von Straßenbegleitflächen“ als Pflegeziele für Straßenbäume die „Erhaltung und Entwicklung von gesunden und langlebigen Straßenbäumen“ und den „Erhalt der Habitatstrukturen unter Gewährleistung der Verkehrssicherheit“. Weiter heißt es unter den Pflegegrundsätzen: „Besitzen Bäume besondere Habitatqualitäten für besonders oder streng geschützte Tierarten (insbesondere Vögel, Fledermäuse, andere Säugetiere und Käfer), ist neben dem allgemeinen Artenschutz der spezielle Artenschutz nach § 44 BNatSchG einschlägig, und die Pflegemaßnahmen und der Pflegezeitpunkt sind entsprechend den vorkommenden Tieren anzupassen. (…) Durch eine Jungbaumpflege sind neu gepflanzte Bäume zu gesunden und langlebigen Bäumen zu entwickeln. (…) Nach der Entwicklungspflege müssen Krone, Stamm und Wurzelbereich zur dauerhaften Erhaltung des Baumes weiterhin gepflegt und vor Schäden geschützt werden. (…) Bäume sind zu erhalten. Sie sind nur dann zu fällen, wenn Baumpflegemaßnahmen nicht mehr zielführend oder nicht mehr angemessen sind. (…) Die naturschutzrechtlichen Belange werden vor der Entfernung der Bäume geprüft und ggf. Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen in Abstimmung mit den Naturschutzbehörden getroffen.“
All dem kann die Kreisgruppe des BUND Naturschutz nur zustimmen und wir nehmen die Behörden gerne beim Wort. Zum Erhalt dieses Lebensraums und der Ausbreitungslinien sollten Fällungen in Alleen lediglich einzelbaumweise erfolgen. Zeitnah ist eine Nachpflanzung der entsprechenden Baumart am Standort erforderlich. Eine gemischte Altersstruktur ist kein Manko, sondern eine wesentliche Voraussetzung für den langfristigen Erhalt der Allee. Es ist ein positives Zeichen für die Wertschätzung der Alleen in Traunstein, dass in den Villenvierteln des späten 19. und frühen 20. Jhd. die Bestände immer wieder ergänzt wurden und der Charakter der Straßenzüge erhalten blieb.
Aus Sicht unserer Kreisgruppe sollte gerade im Bereich von Alleen und Straßenbäumen die mechanische Schneeräumung außer an besonderen Gefahrenstellen Vorrang vor der Salzstreuung haben. Der geräumten Schnee soll möglichst zeitnah aus dem Bereich der Bäume und von Tauwasserabflüssen entfernt werden.
Insbesondere im Siedlungsbereich kann die Situation der Alleen und Straßenbäume durch eine Reihe von Maßnahmen verbessert werden Dazu gehören beispielsweise die regelmässige Düngung, eine gründliche Wässerung in Trockenzeiten, eine regelmässige Lockerung der Baumscheiben und das Einarbeiten von Humus zur Förderung der Durchlüftung und Belebung der Bodenmikroorganismen, die Verhinderung und Beseitigung von Bodenverdichtungen und grosszügige Bemessung der Baumscheiben und sowie die Schliessung der Pflanzräume durch Unterwuchs.
Das in anderen Städten erfolgreich praktizierte Modell der Baumpatenschaften für Straßenbäume könnte auch im Landkreis und der Stadt Traunstein eingeführt werden.
