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Von der Wuchshülle zum Mikroplastik

Mittlerweile sieht man sie auf fast jedem Waldspaziergang: Wuchshüllen aus Kunststoff, die frisch gepflanzte Bäume vor Verbiss, aber beispielsweise auch vor Spätfrösten schützen sollen. Aber was, wenn die Bäumchen ihrem Mini-Gewächshaus entwachsen sind? Zahlen einer Umfrage machen nachdenklich.

Von Christian Rutkowski

Die Verwendung dieser Wuchshüllen hat sich seit der Jahrtausendwende verfünffacht. Mittlerweile landet etwa jedes dritte im Wald gepflanzte Bäumchen in so einem Kunststoffmantel. Genaue Zahlen für Bayern stehen nicht zur Verfügung, aber die Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg (HFR) hat in Umfragen Daten für Baden-Württemberg erhoben. Danach wurden in den letzten 20 Jahren in Baden-Württembergs Wäldern zwischen 4,5 und 7,7 Millionen Wuchshüllen ausgebracht.

Nur drei Modelle kompostierbar

Von 58 für forstliche Verwendung angebotenen Wuchshüllen liegt nur für drei Modelle eine unabhängig zertifizierte Aussage zum Abbauverhalten durch Kompostierung vor. Immerhin acht Modelle sind nicht aus Kunststoff, sondern aus anderem Material wie Holz, Papier oder Jute – aber Angaben über eine eventuell vorgenommene Haltbarmachung fehlen.

Nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz gelten die nicht kompostierbaren Wuchshüllen als Abfall, wenn ihnen die Bäumchen entwachsen sind und sie ihre Aufgabe erfüllt haben. Als solcher müssten sie eingesammelt und fachgerecht verwertet werden. Die Realität sieht anders aus: Nach der Umfrage der HFR verbleiben zwischen 50 und 80 Prozent im Wald. Für Baden-Württemberg waren das in den letzten 20 Jahren zwischen 780 und 1340 Tonnen Kunststoff. Durch Sonnenlicht, Wasser und Wärme beginnt der oberirdische Zerfall. Die zerkleinerten Bestandteile wandern in die oberen Bodenschichten. Dort verlangsamt sich der Abbau mangels UV-Strahlung. Die Abbau- und Zerfallsprodukte werden von Bodenlebewesen aufgenommen und können deren Lebensfunktionen beeinflussen, stören oder schädigen. Kleinstlebewesen werden wiederum von größeren vertilgt, so geraten die Mikroplastikteile in die Nahrungskette.

Biobasierter Kunststoff

Auch als kompostierbar bezeichnete Wuchshüllen sind nicht problemlos: Da die Prüfnorm DIN 13432 nur die Kompostierung unter idealen Bedingungen einer industriellen Kompostieranlage (90 Prozent Abbau innerhalb von 6 Monaten bei 58 Grad +/- 2° C) untersucht, kann von einer entsprechenden Einarbeitung bei Waldbedingungen nicht ausgegangen werden.

Der Begriff „biobasierter Kunststoff“ sagt nur aus, dass das Material vollständig oder teilweise aus Pflanzen gewonnen wurde. „Bio“ sagt dabei nichts über den Anbau dieser Pflanzen aus. Nicht jeder biobasierte Kunststoff ist gleichzeitig biologisch abbaubar, d. h. wird durch Mikroorganismen vollständig zu CO2 und Wasser umgewandelt.

Für den manuellen Abbau einer Wuchshülle kann, je nach Auffindbarkeit und Beschaffenheit des Geländes, mit Kosten von bis zu 2 € pro Wuchshülle gerechnet werden. Somit würden bei dem Versuch, alle nicht eingesammelten Wuchshüllen zu entsorgen, in Baden-Württemberg Kosten zwischen 5,2 und 9 Mio. € entstehen. Der in der Umfrage der HFR von den Waldbesitzern deutlich geäußerte Wunsch nach "biologischer Abbaubarkeit" und "Material aus nachwachsenden Rohstoffen" wurde bislang von den Anbietern nicht aufgegriffen.

Auch in Bayern und im Landkreis Traunstein haben wir das Problem, dass Wuchshüllen nicht mehr entsorgt werden und im Wald über verschiedene Zerfallsstadien zu Mikroplastik im Boden und Grundwasser werden. Die Kreisgruppe Traunstein des BUND Naturschutz fordert daher Alternativen zum heutigen Angebot. Das können entweder langlebige Wuchshüllen sein, die entsprechend dem geltenden Recht dann auch tatsächlich rückgebaut und sogar erneut verwendet werden können. Aufgrund ihrer nachgewiesenen (z. B. Abrieb-) Festigkeit hinterlassen sie dabei keine Plastikreste im Wald. Oder es werden Wuchshüllen aus nachwachsenden Rohstoffen angeboten, die nachgewiesenermaßen in Waldböden rückstandslos und vollständig abbaubar sind und für die eine detaillierte Ökobilanz vorgelegt wird. Forschung und Versuche hierzu laufen seit ca. 10 Jahren.

Wald vor Mikroplastik schützen

So oder so sollten wir unsere Waldböden vor dem Eintrag von Mikroplastik aus der Verwendung von forstlichen Hilfsmitteln schützen. Die Umfrage der HFR zeigt auch, dass der Verbiss- und Fegeschutz der wichtigste Grund für die Verwendung von Wuchshüllen ist. Ein angepasster Schalenwildbestand, der ein ausreichendes Aufkommen der Jungpflanzen auch ohne Kunststoffhülle oder Zaun gewährleistet, trägt also auch zum Schutz unserer Waldböden bei.

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