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Der programmierte Elektronikschrott

Ab Herbst 2025 wird Microsoft Sicherheitsupdates für Windows 10 nur noch für Premium-Kunden bereit stellen. Alle anderen sind dann faktisch gezwungen, sich nach einer Alternative umzusehen. Die stellt Microsoft mit einem Upgrade auf Windows 11 sogar kostenlos bereit, schraubt aber die Anforderungen so hoch, dass sie viele Rechner nicht erfüllen. Damit drohen viele im Prinzip noch verwendbare Geräte zu Elektronikschrott zu werden.

Aus Sicht eines Software-Herstellers ist es nachvollziehbar, die kostenintensive Wartung alter Software-Versionen zeitlich zu begrenzen und seine Ressourcen lieber in die Entwicklung der nächsten Version zu stecken. Gerade mit einem Betriebssystem lässt sich heute nur Geld verdienen, wenn es zusammen mit einem neuen Rechner verkauft wird. Die Updates werden bislang kostenlos verteilt.

Und weil leider jede Software Fehler hat, die Kriminelle wie Geheimdienste für ihre Zwecke auszunutzen versuchen, ist es ein ständiger Wettlauf zwischen der Entdeckung dieser Fehler und dem Versuch, diese möglichst schnell zu beheben. Dieser Wettlauf ist der Grund für die regelmäßigen Updates und dafür, diese auch wirklich und möglichst schnell auf dem eigenen Rechner zu installieren. Ihre dort gespeicherten Daten sind in Gefahr, wenn Sie sich mit einem nicht mehr aktuellen Betriebssystem ins Internet begeben.

Wenn der Hersteller Ihnen keine Updates für Ihr Betriebssystem mehr liefert, bleibt Ihnen keine realistische Alternative dazu, ein neues Betriebssystem zu installieren. Und weil wir selbst immer anspruchsvoller werden, was unsere Anwendungsprogramme angeht, wachsen mit jedem neuen Betriebssystem auch dessen Ansprüche an die Leistungsfähigkeit des Rechners.

Im konkreten Fall drängt sich aber der Verdacht auf, dass Microsoft diese Ansprüche willkürlich in die Höhe geschraubt hat. So kann Windows 11 auf Geräten mit einer ganzen Baureihe von wichtigen Bausteinen nicht installiert werden – außer auf dem einen Modell dieser Baureihe, das Microsoft in seinem eigenen Gerät verbaut hat. Findige Tüftler haben Wege gefunden, diese Sperren zu umgehen und festgestellt, dass Windows 11 auf viel mehr Geräten verwendet werden könnte als Microsoft uns zugesteht. Das Fachmagazin c‘t berichtet in seinem Heft 10/2023 ausführlich darüber.

Dahinter könnten auch handfeste kommerzielle Interessen der Elektronikindustrie stehen. Das Geschäft mit neuen PC und Notebooks lahmt seit einigen Jahren. Das durchschnittliche Alter von Notebooks liegt aktuell bei rund 5 Jahren, rund ein Drittel der Geräte ist zum Teil sogar deutlich älter. Dies gilt insbesondere für Geräte in privaten Haushalten. In Firmen und Behörden orientiert sich die Nutzungsdauer stärker an Abschreibungsfristen und Leasingverträgen und ist entsprechend kürzer.

Es ist also damit zu rechnen, dass in rund zwei Jahren viele noch funktionstüchtige ältere Geräte programmgesteuert zu Elektronikschrott werden. Der muss dann entsorgt werden, was heute leider in vielen Fällen wenig mit der Rückgewinnung der verwendeten wertvollen Rohstoffe zu tun hat und überdies oft unter äußerst fragwürdigen und gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen in armen Ländern des globalen Südens passiert. Aber damit noch nicht genug: Die Produktion des neuen Gerätes erfordert die Gewinnung neuer Rohstoffe wie seltener Erden und Edelmetalle, wiederum unter schlechten Arbeitsbedingungen und mit katastrophalen Folgen für die Umwelt. Dazu kommt der Verbrauch an Energie und Wasser. Die Produktion eines Notebooks erzeugt durchschnittlich 311 kg CO2-Äquivalente. Klassische PC sind mit 347 kg noch schlechter in der Bilanz.

Die Rechtslage hat dem nichts entgegen zu setzen. Sie berücksichtigt nicht, dass Software heute einen entscheidenden Einfluss auf die Lebensdauer von Geräten hat. Die Ökodesignregulierung betrifft nur Geräte, die neu in Verkehr gebracht werden, aber nicht die Geräte, die schon seit Jahren in Gebrauch sind. Das Elektro- und Elektronikgerätegesetz regelt nur die Entsorgung von Geräten, aber nicht wie lange die Geräte in Gebrauch bleiben können. Die EU-Kommission arbeitet an einer Kennzeichnungspflicht zu Energieverbrauch und Reparaturfreundlichkeit, aber das hilft nichts, wenn das Gerät durch die Software unbrauchbar wird. Und die seit Anfang 2022 bestehende Updatepflicht gilt für einen Zeitraum, der vom Käufer „als angemessen erwartet werden kann“ ohne dafür eine konkrete Zeitspanne zu benennen.

Immerhin hat das Umweltbundesamt das Thema im Blick. Man solle seinen Rechner mit einem Open Source Betriebssystem weiter benutzen, Verwaltungen sollen langfristig auf Open Source Software umstellen und das Prinzip „öffentliche Gelder nur für öffentliche Software“ stärker verankern. Die Behörde will darüber hinaus den bekannten „Blauen Engel“ an Software vergeben, die ressourcen- und energieeffizient ist und dem programmierten Veralten von Geräten entgegenwirkt. Ein erstes Anwendungsprogramm wurde bereits ausgezeichnet.

Da immer mehr Anwendungsprogramme von dem Zusammenspiel mit Diensten abhängig sind, die im Internet angeboten werden, fürchtet das Umweltbundesamt, dass sich die Probleme künftig weiter verschärfen werden. In der vom Umweltbundesamt beauftragten Studie „Analyse der softwarebasierten Einflussnahme auf eine verkürzte Nutzungsdauer von Produkten“ wird unter anderem der Bereich „smart home“ untersucht. Das Gebäudeenergiegesetz schlägt in der öffentlichen Diskussion hohe Wellen. Wäre das auch der Fall, wenn die Steuerung von Heizung, Lüftung, Licht und Sonnenschutz per Smartphone nur deswegen ausgetauscht werden müsste, weil es das neu erworbene Smartphone keine Software zur Ansteuerung der erst wenige Jahre alten Haustechnik mehr gibt?

In dieser Studie werden Empfehlungen für die Umweltpolitik und die europäische Gesetzgebung ausgesprochen, Mindestanforderungen für den Marktzugang und die notwendige Transparenz im Wettbewerb zu stellen. Diese umfassen unter anderem:

  • die Möglichkeit zum Betrieb der Geräte ohne externe Abhängigkeiten,

  • die Bereitstellung von sicherheitsrelevanten Software-Updates über einen Mindestzeitraum von 10 Jahren und die Gewährleistung einer Mindestnutzungsdauer von typischerweise 10 Jahren,

  • das Verbot von softwareseitigem Verhindern von Reparatur und Betrieb,

  • Anforderungen an die Kompatibilität und Interoperabilität von Produktsystemen,

  • Anforderungen an externe Dienstleistungen zur Aufrechterhaltung ihrer Dienste für mindestens 10 Jahre,

  • verpflichtende Nennung der Abhängigkeiten von softwarebetriebenen Produkten,

  • verpflichtende Angabe des garantierten Supportzeitraums und daraus resultierende Rechtsansprüche.

Die Kreisgruppe des BUND Naturschutz unterstützt diese Forderungen ausdrücklich.

In der Politik finden sich nur einzelne Stimmen, die sich für weitergehende Zusicherungen der Hersteller hinsichtlich der Nutzungsdauer stark machen. Zu viele Interessenskonflikte und der beginnende Wahlkampf um das Europaparlament dämpfen die Hoffnung auf eine verbraucherfreundliche Entwicklung.

Für den BUND Naturschutz ist klar: die nachhaltigste Lösung ist, ein Gerät möglichst lange zu nutzen. Wenn Sie betroffen sind, fragen Sie sich, ob es wirklich ein neues Gerät und der damit verbundene Verbrauch an Ressourcen sein muss. Zögern Sie den Umstieg noch hinaus, damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie ein gebrauchtes Gerät auf dem Markt finden, das für Windows 11 geeignet ist. Oder prüfen Sie, ob für Sie nicht doch der Umstieg auf ein Open Source Betriebssystem in Frage kommt. Unter den zahlreichen Linux-Distributionen ist vielleicht eine für Sie passende dabei, mit der sie Ihr Gerät noch etliche Jahre weiter nutzen können. Wenn Sie sich von Ihrem Gerät trennen, überlegen Sie zuerst, ob Sie es an eine Organisation spenden können, die es umgerüstet auf ein Open Source Betriebssystem Menschen zur Verfügung stellt, die sich kein Gerät kaufen können. Scheitern alle Möglichkeiten, bringen Sie das Gerät zu einem Wertstoffhof, der ein sachgerechtes Recycling garantiert.

Weitere Informationen finden Sie hier:

  • c‘t Ausgabe 10/2023: Microsofts Upgrade-Skandal

  • c‘t Ausgabe 10/2023: Die Hardware-Hürden des Nachfolgers

  • c‘t Ausgabe 10/2023: Fragen an Politik und Wirschaft

  • Umweltbundesamt Publikation: Software und Umwelt

  • Umweltbundesamt Publikation: Ermittlung und Erschließung von Umweltschutzpotenzialen der Informations- und Kommunikationstechnik (Green IT)

  • Umweltbundesamt Publikation: Analyse der softwarebasierten Einflussnahme auf eine verkürzte Nutzungsdauer von Produkten