Grundwasser im Klimawandel
Dass der Klimawandel steigende Durchschnittstemperaturen der Luft bedeutet, ist vielen bekannt. Der Klimawandel macht aber auch vor dem Grundwasser nicht Halt. Eine Studie der Universität Halle-Wittenberg wies über die Jahre steigende Temperaturen des Grundwassers an Brunnen in ganz Bayern nach. Aussagen eines Wasserversorgers bestätigen dies auch für unseren Landkreis. Aber welche Folgen hat das für die Qualität des Grundwassers und des daraus gewonnenen Trinkwassers?
Während die Anforderungen an die Grundwasserqualität für die Nutzung als Trinkwasser sehr klar und gesetzlich geregelt sind, wird die ökologische Perspektive oft vernachlässigt. Dies ist im Hinblick auf die bevorstehenden Auswirkungen des Klimawandels auf die Grundwassersysteme Grund zur Besorgnis, denn wahrscheinlich wird eine Reihe von wesentlichen Ökosystemleistungen der (Mikro-)Organismen im Grundwasser beeinträchtigt. Dazu gehören die Bereitstellung und Produktion von sauberem Trinkwasser, der Abbau von Schadstoffen, die Rückhaltung von Nährstoffen und die Beseitigung pathogener Mikroorganismen.
Es gibt eine größere Anzahl von Studien über die Auswirkungen des Klimawandels auf die verfügbare Menge an Grundwasser. Die Auswirkungen auf die Reinigung des dem Grundwasser zuströmenden Wasser im Boden und auf die gelösten Mineralien wurden dagegen selten untersucht. Eine Studie der Universität Tübingen fasst die bisher gewonnenen Erkenntnisse zusammen.
Die Erwärmung des Grundwassers kann auf zwei Faktoren zurückgeführt werden: Das versickernde Regenwasser ist wärmer als früher und trägt mehr Wärme in den Boden ein. Je stärker die Grundwasserneubildung, desto schneller schreitet die Erwärmung in den Untergrund voran. Dies gilt insbesondere für kleine, oberflächennahe, nicht gespannte Grundwasserleiter im Vergleich zu den meist größeren, tiefen, gespannten Grundwasserleitern. Ferner sind Luft- und Bodentemperatur nicht voneinander unabhängig. Eine im Mittel steigende Lufttemperatur zieht auch einen Anstieg der Bodentemperatur mit sich. “Der Untergrund reagiert im Gegensatz zur Atmosphäre allerdings sehr träge”, sagt Peter Bayer von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Da der Untergrund nicht auf kurzfristige Temperaturschwankungen und die Jahreszeiten reagiert und somit eher langfristige Trends anzeigt, stellt er einen besonders guten Indikator für den Klimawandel dar, erklärt der Geologe.
Der Wärmeeintrag pro Jahr ist beträchtlich. Modellrechnungen schätzen ihn auf ein Viertel der benötigten Heizenergie in Deutschland und ihre Autoren betonen die positiven Auswirkungen auf das Potential und die Wirtschaftlichkeit oberflächennaher Geothermie.
Die Messungen an Brunnen in Bayern belegen einen Temperaturanstieg in 15 m Tiefe von durchschnittlich 0,7 °C und maximal 1,5 °C in den letzten 30 Jahren. Eine aktuelle Studie, an dem das Karlsruhe Institute of Technology beteiligt war, modelliert die Erwärmung des Grundwassers bis zum Jahr 2100. Für ihre Forschungen nutzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedene Klimaszenarien. Auch bei konservativen Annahmen und einem gemäßigten Pfad der globalen Erwärmung ergibt sich ein mittlerer Temperaturanstieg von 2,1 °C gegenüber dem Jahr 2000, wenn wir weiterhin untätig bleiben um 3,5 °C. Zu warmes Grundwasser kann nicht bedenkenlos getrunken werden und muss beispielsweise abgekocht werden. Bereits heute sind etwa 30 Millionen Menschen weltweit davon betroffen. Die neue Studie prognostiziert, dass diese Zahl auf 76 bis 188 Millionen Menschen bei gemäßigter bzw. 59 bis 588 Millionen Menschen bei ungebremster Erwärmung steigen könnte.
Hinzu kommen die Auswirkungen unserer Landnutzung. Je mehr Fläche wir versiegeln, umso geringer fällt die Kühlung durch Verdunstung aus. Wir spüren den Effekt, wenn wir uns nach dem Schwimmen nicht gleich abtrocknen oder in nassen Kleidern laufen. Die Luft über der versiegelten Fläche heizt sich und indirekt den Boden stärker auf und die Kühlung durch die verdunstende Bodenfeuchtigkeit fehlt. Städtische Infrastruktur wie Tiefgaragen, U-Bahnhöfe und Strecken, Abwasserkanäle etc. gibt weitere Wärme ab. So bilden sich insbesondere unter großen Städten Wärmeinseln des Grundwassers. Seine Temperatur ist beispielsweise unter der Stadt Wien um 2 ° höher als im Umland der Stadt.
Durch die Speicherung von Wärmeenergie im Grundwasser wird Wärmeenergie saisonal gespeichert und zu Heizzwecken zurückgewonnen. In jüngerer Zeit werden offene oder geschlossene Erdwärmepumpensysteme (einschließlich Grundwasserwärmepumpensysteme) zu Heiz- und/oder Kühlzwecken installiert, die sich nachhaltig und lokal viel stärker als der Klimawandel auf die Temperaturen des oberflächennahen Grundwassers auswirken. Insbesondere offene Systeme, bei denen warmes Wasser in den Untergrund gedrückt wird, stellen ein Problem dar. Das Wasser durchmischt sich nämlich nicht wie in einem See, sondern das warme Wasser verdrängt das vorhandene Grundwasser und es bildet sich eine Wärmeinsel.
Unser Grundwasser ist ein von Mikroorganismen besiedelter Lebensraum. Diese ernähren sich von organischen Verbindungen, die von der Oberfläche und aus der Humusschicht eingetragen werden. Die Reinigung des versickernden Wassers beruht zu einem großen Teil auf diesem Prozess. Steigt die Temperatur des Grundwassers, erhöht sich der Stoffumsatz. Dabei wird von den Mikroorganismen mehr gelöster Sauerstoff verbraucht. Gleichzeitig sinkt mit steigender Wassertemperatur die Menge des gelösten Sauerstoffs.
Beide Effekte zusammen können bis zur Bildung sauerstofffreier Gebiete im Grundwasser führen, so wie das im heißen Sommer 2003 am Niederrhein beobachtet wurde und mittlerweile durch Untersuchungen in vielen Ländern belegt ist. In solchen Gebieten kippt die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Grundwasser und statt der erwünschten Prozesse zur Reinigung des Wassers können Fäulnis- und Gärungsprozesse die Oberhand gewinnen.
„Bei Sauerstoffmangel kommt es zu sogenannten anaeroben Atmungsprozessen von Bakterien. Dabei entstehen gelöstes Eisen und Mangan, Schwefelwasserstoff oder Methan. Das beeinträchtigt die Grundwasserqualität drastisch, es kann nicht mehr ohne weiteres als Trinkwasser genutzt werden bzw. nur nach sehr teurer Aufbereitung“ erklärt der an der Universität Wien lehrende Grundwasserökologe Prof. Christian Griebler.
In diesem Zusammenhang ist Mangan von besonderer Bedeutung, da eine chronisch erhöhte Aufnahme mit Nervenschäden beim Menschen und negativen Auswirkungen auf aquatische Organismen in Verbindung gebracht wurde. Die durch die Erwärmung bedingte Freisetzung von Mangan in das Grundwasser ist bei der Gewinnung von Trinkwasser aus Uferfiltrat gut dokumentiert worden. So wurde beispielsweise im Sommer 2015 im Wasserwerk Dresden-Tolkewitz ein erheblicher Anstieg der Konzentrationen von gelöstem Mangan von unter 0,1 auf über 0,6 mg/l beobachtet, als die Temperatur der Elbe drei Monate lang auf über 20 °C stieg.
Ein weiteres Problem: Auch Schwermetalle und Nährstoffe werden unter sauerstofffreien Bedingungen mobilisiert. Vorher waren sie im Sediment gebunden, nun können Arsen oder Phosphor frei werden. Griebler sieht die Gefahr insbesondere dort, wo die Sauerstoffkonzentration im Grundwasser bereits jetzt sehr niedrig ist. Das ist häufig unter großen Städten der Fall – wie zum Beispiel in Wien.
Der verstärkte Umsatz organischer Stoffe geht mit der Freisetzung von CO2 als Nebenprodukt einher, die wiederum einen Rückgang des pH-Wertes, also ein saures Milieu bewirkt. Ein sinkender pH-Wert führt zur verstärkten Verwitterung von Mineralien. Damit gelangen weitere Stoffe, z. B. Fluorid in das Grundwasser. Auch dieser Vorgang kann letztlich zu einer Verschlechterung seiner Qualität führen.
Die Auswirkungen der Erwärmung auf das Grundwasser sind sehr standortspezifisch und heterogen, was ihre Bewertung und Vorhersage erschwert. Prozesse, die die Wasserqualität beeinflussen, werden nicht nur durch einen langfristigen Anstieg der Grundwassertemperaturen verändert, sondern auch kurzfristig bei Wetterextremen. In Bayern sind oberflächennahe, nicht begrenzte und nährstoffreiche Auengrundwasserleiter besonders betroffen. Global stehen Grundwasserleiter in kalten Regionen, die vom Auftauen des Permafrosts betroffen sind, besonders im Fokus. Da die meisten temperaturabhängigen Prozesse, die sich auf die Grundwasserqualität auswirken, nicht oder nur sehr langsam umkehrbar sind, benötigen wir dringend ein umfassendes Verständnis, bevor es zu spät ist, geeignete Gegenmaßnahmen und Bewirtschaftungsstrategien zu entwickeln.
Mehr lesen?
Eine Zusammenfassung bisheriger Untersuchungen und ihrer Ergebnisse finden Sie in: Harald Neidhardt, Wen Shao (Eberhard Karls University Tübingen): „Impact of climate change‐induced warming on groundwater temperatures and quality“, veröffentlicht in der Zeitschrift Applied Water Science (2023) 13:235 und frei verfügbar unter https://doi.org/10.1007/s13201-023-02039-5. Dort finden sich auch die Verweise auf Originalarbeiten die hier aus Gründen der besseren Lesbarkeit fehlen.
Die Messungen der Wassertemperaturen der Brunnen in Bayern wurde veröffentlicht von Hannes Hemmerle und Peter Bayer (Martin Luther University Halle-Wittenberg): „Climate Change Yields Groundwater Warming in Bavaria, Germany“, veröffentlicht in der Zeitschrift Front. Earth Sci. 8:575894 und frei zugänglich unter https://www.frontiersin.org/journals/earth-science/articles/10.3389/feart.2020.575894/full.
Die Modellrechnungen zum Anstieg der Grundwassertemperatur wurden veröffentlicht von Susanne A. Benz et al.: „Global groundwater warming due to climate change“ in der Zeitschrift Nature Geoscience, Volume 17, June 2024 und können unter https://doi.org/10.1038/s41561-024-01453-x nachgelesen werden.
Zu den möglichen Auswirkung der oberflächennahen Geothermie hat das Umweltbundesamt eine ausführliche Publikation herausgegeben, die unter dem Link https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/texte_54_2015_auswirkungen_thermischer_veraenderungen_infolge_der_nutzung_obenflaechennaher_geothermie_0.pdf frei heruntergeladen werden kann.
Schützt das Grundwasser als Lebensraum!
Unser Grundwasser ist nicht steril wie eine Flasche destilliertes Wasser, sondern seinem Volumen nach unser größter aquatischer Lebensraum. Dass unser Grundwasser unsere wichtigste Ressource zur Gewinnung sauberen Trinkwassers ist, ist die wichtigste Ökosystemdienstleistung der Bewohner dieses Lebensraums.
Manche erinnern sich vielleicht noch an den Versuch aus ihrer Schulzeit: Der Lehrer goss schmutziges Wasser in drei Gefäße, die mit Kies, Sand bzw. Erde gefüllt waren und fing das unten herauslaufende Wasser auf. Während das Wasser schnell durch den Kies floss, aber genauso schmutzig war wie zuvor, dauerte es bei der Erde lange, es kam aber so sauber, dass besonders wagemutige Lehrer oder solche, die genau wussten, was in dem Schmutzwasser war, sogar einen Schluck getrunken haben.
Aus dem Versuch sollten wir lernen, dass unterschiedliche Böden Wasser unterschiedlich gut reinigen können. Der Versuch suggeriert, dass die Reinigungsleistung nur auf einer Filterung beruht. Das stimmt aber nur zu einem kleinen Teil, so wie die Reinigungsleistung einer modernen Kläranlage nicht nur auf ihren Rechen in der ersten Stufe beruht. Dass wir aus dem Boden quellfrisches, sauberes Trinkwasser bekommen, liegt ganz wesentlich daran, dass das Grundwasser ein Lebensraum ist, in dem Bakterien und kleinste wirbellose Tiere aktiv sind.
Wer lebt dort unten?
Nur sehr spezialisierte Arten können in dieser engen, dunklen und nährstoff- und sauerstoffarmen Umgebung dauerhaft leben. In Deutschland wurden bisher fast 500 Tierarten zumindest gelegentlich im Grundwasser gefunden. Davon sind 178 spezialisierte, sogenannte stygobionte Tierarten, die nur im Grundwasser vorkommen. In Europa sind etwa 2.000 und weltweit etwa 7.700 Arten bekannt. Es gibt Schätzungen, dass es weltweit zwischen 50.000 und 100.000 stygobionte Arten geben könnte. Unsere Artenkenntnis für diesen Lebensraum ist also besonders gering.
Die deutsche Fauna zeigt dabei ein deutliches Artengefälle von Süden nach Norden, so dass Bayern innerhalb Deutschlands eine besondere Bedeutung zukommt. Sowohl nach Anzahl der Arten als auch der Individuen finden sich besonders viele Tiere in Böden mit größeren Hohlräumen, z. B. auf der schwäbischen und fränkischen Alb, aber eben auch in den mit Geröll gefüllten alpinen Flusstälern. Hinzukommen Mikroorganismen (Bakterien, aquatische Pilze, Einzeller), die den Hauptteil der Biomasse ausmachen. Das Zusammenspiel der einzelnen Organismengruppen trägt entscheidend zur Stabilität der biologischen Leistungen im System bei. Die im Grundwasser lebenden Organismen beeinflussen die Durchlässigkeit im Porensystem der Grundwasserleiter und tragen durch Stoff- und Energieumsätze entscheidend zur Qualität des Grundwassers bei. Ein funktionierendes, intaktes Ökosystem ist also Produkt und zugleich auch immer Voraussetzung für sauberes Grundwasser.
Wie beurteilen wir unser Grundwasser?
Die Zielvorgaben für die Beschaffenheit des Grundwassers orientieren sich bisher ausschließlich an physikalischen, chemischen und mengenmäßigen Kriterien. Eine Beurteilung einer biologischen Gewässergüte, wie sie für Flüsse und Seen Standard ist, findet für das Grundwasser bislang nicht statt. Dabei würde eine solche Beurteilung durchaus wichtige Aussagen liefern, wie das Forschungsprojekt „Entwicklung biologischer Bewertungsmethoden und -kriterien für Grundwasserökosysteme“ des Helmholtz-Zentrum München aufzeigt:
- Anhand der Fauna lassen sich Rückschlüsse auf die Stärke des Einflusses von Oberflächenwasser, Niederschlag und Sickerwasser, als auch auf die Landnutzung ziehen.
- Unser Grundwasser ist zunehmend komplexen Belastungssituationen ausgesetzt, auch durch Stoffe, die wir noch nicht routinemäßige analysieren und durch kurzzeitige, schwallartige Einträge. Der Zustand des Ökosystems zeigt diese Einflüsse über lange Zeit und liefert nicht nur eine Momentaufnahme für wenige Untersuchungszeitpunkte im Jahr.
- Mit den heute zur Verfügung stehenden molekularbiologischen Methoden ist nicht nur eine Indikation für eine hygienische Belastung von Grundwasser möglich, sondern auch ein direkter Nachweis der wichtigsten pathogenen Bakterien, Protozoen (Einzeller) und Viren.
- Die erfolgreiche Erholung eines Grundwassersystems nach einer Störung kann nicht allein an physikalisch-chemischen Kriterien festgemacht werden. Erst nach einer Wiederbesiedelung durch eine typische Organismengemeinschaft ist der betroffene Grundwasserkörper zu seinem Ausgangszustand zurückgekehrt.
Ausgehend von der zitierten Studie hat das Forschungsprojekt „GroundCare“ ein Beurteilungschema zur Bestimmung des biologischen Zustands eines Grundwasserkörpers weiter ausgearbeitet. Es gibt auch erste Anbieter von Messausrüstung zur Untersuchung im Labor und vor Ort.
Was sagt die Bundesregierung?
In der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) formulierte die Bundesregierung das Ziel für das Jahr 2020:
„Grundwasser ist von hoher Qualität und weitgehend unbelastet. Es ist Lebensraum für einzigartige, hochgradig an die Besonderheiten des Ökosystems angepasste Lebensgemeinschaften. Es erfüllt dauerhaft seine systemverbindende Funktion im Wasserkreislauf und Naturhaushalt. Es ist überall in ausreichender Menge und hoher Qualität als Trinkwasser vorhanden“.
In der Antwort auf eine kleine Anfrage stellt das Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit am 3. Juni 2019 jedoch fest:
„Der Zustand von Grundwasserökosystemen in der EU und in Deutschland wird bislang nicht systematisch überprüft. Dies ist in diesen Richtlinien auch nicht vorgesehen. Außerdem gibt es bislang weder hinreichend validierte Methoden für ein systematisches Monitoring (d. h. die Erfassung der verschiedenen Grundwasserorganismen) noch ausreichende Kenntnisse der Wirkbezüge (d. h. wie reagieren die Grundwasserorganismen auf anthropogene Einflüsse) noch für die Erstellung von Indikatoren, die für die Beurteilung von Maßnahmen und die Operationalisierung erforderlich wären. Deshalb ist derzeit zum Zustand der deutschen Grundwasserökosysteme und deren Entwicklung keine Aussage möglich.“
Und auf die konkrete Frage „Wie bewertet die Bundesregierung die Erreichung des in der NBS formulierten Ziels »spätestens ab 2015 sind alle grundwassertypischen Arten und Gemeinschaften im jeweiligen Habitat bzw. Naturraum nicht gefährdet«?“ heißt es nur lapidar: „Der Bundesregierung liegen keine belastbaren Daten über die Gefährdungssituation der grundwassertypischen Arten und Gemeinschaften vor. Daher kann derzeit keine Bewertung zur Zielerreichung erfolgen.“ Und auf die abschließenden Frage „Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung für den Schutz der Biodiversität im Grundwasser?“ gibt das Ministerium die ausweichende Antwort: „Ob und wie der Schutz der Grundwasserökologie verbessert werden kann, wird im Wesentlichen davon abhängen, ob und gegebenenfalls welche messbaren und belastbaren, vollzugsfähigen Bewertungskriterien dafür erarbeitet werden können. Darüber hinaus wären Vorgaben auf EU-Ebene vorzugswürdig, weil Grundwasservorkommen auch grenzüberschreitender Natur sein können.“
Einige Fragen dazu
Das wirft für die Kreisgruppe Traunstein des BUND Naturschutz einige Fragen auf:
Welchen Wert haben die hehren Ziele der nationalen Biodivisitätsstrategie, wenn offenbar gar keine ernsthafte Absicht besteht, die Zielerreichung zu kontrollieren?
Wozu werden Mittel der öffentlichen Haushalte für Forschungsprojekte wie „GroundCare“ ausgegeben, wenn die darin erarbeiteten Bewertungskriterien nicht als Standard etabliert werden?
Wieso weigert sich das Ministerium, tätig zu werden, wenn es in seiner Antwort selbst zugibt: „Grundsätzlich ist die Anwesenheit einer vielfältigen Grundwasserfauna ein Zeichen für gute Wasserqualität und ein intaktes Grundwasserökosystem. (…) Die ökologischen Funktionen sind vielfältig und reichen zum Beispiel von der Reinigung von nach der Bodenpassage verbliebenen Schadstoffen im Grundwasser über die Eliminierung pathogener Mikroorganismen und Viren bis zur Verwendung von Grundwasserorganismen als Bioindikatoren. (…) Durch regional hohe anthropogen verursachte Nährstoffbelastungen des Grundwassers werden in erster Linie die Milieufaktoren und damit auch die Artenzusammensetzung der oberen Grundwasserleiter beeinflusst.“
Das Ministerium sieht also selbst die Gefahren für das Ökosystem und den Nutzen seines Schutzes, aber das war es dann auch?
Der BUND Naturschutz Traunstein fordert:
Unsere Grundwasservorkommen müssen nicht nur einen guten mengenmäßigen und chemischen Zustand erreichen oder bewahren, sondern auch der Zustand der Ökosysteme sollte künftig regelmäßig untersucht werden, nur so kann auch die Qualität unserer Trinkwasservorräte erhalten bleiben.
Weitere Informationen
Eine Einführung zur Biodiversität im (Grund-)wasser findet sich z.B. beim Umweltforschungszentrum der Helmholtz-Gesellschaft unter www.ufz.de/index.php?de=36055 oder in der Publikation der ANL Laufen: „Das Grundwasser unter die Lupe nehmen: Lebensgemeinschaften als Anzeiger der Grundwasserqualität“ (ANLiegen Natur 42(1): 173–182), Download unter https://www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/doc/an42101meyer_et_al_2020_leben_im_grundwasser.pdf .
Eine Einführung und gleichzeitig ein Bericht über die Bedrohung des Lebensraums durch die Erwärmung des Grundwassers bietet der Artikel: www.spektrum.de/news/schaden-geothermie-und-klimawandel-dem-grundwasser-und-dessen-fauna/1603656
Die Studie zur Entwicklung biologischer Bewertungsmethoden wurden vom Umweltbundesamt veröffentlicht und kann unter www.umweltbundesamt.de/publikationen/entwicklung-biologischer-bewertungsmethoden heruntergeladen werden.
Informationen zum Forschungsprojekt „GroundCare“ finden sich unter https://bmbf.nawam-rewam.de/projekt/groundcare/ und https://www.helmholtz-muenchen.de/fileadmin/IGOE/images/Arbeitsgruppen/AG_Griebler/Projekte/Flyer_final_online.pdf
Die Nationale Biodiversitätsstrategie findet man unter: www.bfn.de/fileadmin/BfN/biologischevielfalt/Dokumente/broschuere_biolog_vielfalt_strategie_bf.pdf , hier insbesondere S. 39
Die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Steffi Lemke, Harald Ebner, Dr. Bettina Hoffmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN steht in der Bundestagsdrucksache 19/10590, ISSN 0722-8333 https://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/105/1910590.pdf