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Keine Sorge ums Trinkwasser?

Im Jahr 2016 wurden in Bayern insgesamt 758,6 Mio. m³ Trinkwasser verbraucht. Das ist etwa ein Drittel des Volumens des Chiemsees. Ausgehend von der Kreisgruppe Traunstein gab es im letzten Sommer eine Landtagsanfrage durch die Fraktion Bündnis90/die Grünen hierzu. Die Antworten der bayerischen Staatsregierung fassen wir hier zusammen.

Der weit überwiegende Teil davon, nämlich 608,7 Mio. m³ entfiel auf Haushalt und Kleingewerbe. Daraus ergibt sich ein Pro-Kopf-Verbrauch von 131 Liter pro Tag. Die Bayern rangieren damit unter den Großverbrauchern in Deutschland. Gewerbe und sonstige Nutzungen verbrauchten 149,6 Mio. m³. Die Tendenz ist dabei sowohl absolut als auch pro Kopf in den letzten Jahren steigend – von Fortschritten beim sparsameren Umgang mit Wasser keine Spur.

Es geht um unser wichtigstes Lebensmittel betonen Regierung wie Wasserversorger, aber nur 4% unseres Trinkwassers nutzen wir als Lebensmittel, 96% für andere Zwecke. Dabei stehen folgende Punkte ganz oben in der Rangliste:

32%

Körperpflege

27%

Toiletten-spülungen

12%

Wäsche waschen

Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt um mehr als 1/3 höher als in den Bundesländern mit dem niedrigsten Verbrauch (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen). Die Staatsregierung vermutet den „starken Tourismus, viehstarke landwirtschaftliche Betriebe sowie einen positiven Berufspendlersaldo“ als Ursache. Ganz plausibel erscheint uns diese Erklärung jedoch nicht, wenn wir nur z. B. auf die steigende Zahl privater Schwimmbäder sehen, die ganz überwiegend und vermeintlich selbstverständlich mit Trinkwasser befüllt werden.

In der Frage der Versorgungssicherheit verweist die Staatsregierung auf die Wasserversorgungsbilanzen. Diese werden derzeit bis voraussichtlich Ende 2025 für das Prognosejahr 2050 neu erstellt. Dabei geht die Staatsregierung von einem etwa gleich bleibenden Pro-Kopf-Verbrauch aus und berücksichtigt demografische und klimatische Änderungen. Sie betont, dass der Sicherung der öffentlichen Wasserversorgung für alle Bürger in allen Teilräumen Vorrang gebührt. Eine Zielgröße für den Pro-Kopf-Verbrauch oder seine Verringerung wird jedoch nicht formuliert.

Blickt man auf die Abhängigkeit der Ballungsräume München und Nürnberg von einer Fernwasser-Versorgung, so muss man die Sicherung der öffentlichen Wasserversorgung nach unserer Ansicht als eine wichtige Aufgabe einer übergeordneten Raumplanung begreifen. Mit solchen Themen tut sich die Politik jedoch zunehmend schwer. Die Staatsregierung führt in ihrer Antwort zwar auch eine „nachhaltige Raumplanung“ an, sagt aber nichts über einen Interessenausgleich bzw. eine Gegenleistung, die die Ballungsräume den ländlichen Räumen für einen Verzicht auf die Nutzung eines Teils des regional zur Verfügung stehenden Trinkwassers erbringen.

In ihrer Antwort auf unsere Frage nach dem nutzbaren Dargebot, dem Zustrom und Abfluss in tieferen Grundwasserstockwerken schreibt die Staatsregierung: „Die Grundwasserneubildung aus Niederschlag (...) hat sich seit dem Jahr 2003, auf Grund gehäuft aufgetretener Trockenjahre und abnehmender Winterniederschläge, um rund 16% gegenüber dem langjährigen Mittel 1971-2000 reduziert.“ Und weiter: „Entsprechend ist zu erwarten, dass sich in der Folge auch langfristig die Zusickerung (Grundwasserneubildung) aus dem oberen Grundwasserstockwerk in tiefere Stockwerke verringert hat. (…) Zum Stand 08.07.2021 zeigen 68 % der Grundwassermessstellen der tieferen Stockwerke niedrige Messwerte auf.“ Sie gibt jedoch zu, dass die Datenlage insgesamt eher dünn ist: „Hinsichtlich des Zustroms und Abflusses in tieferen Grundwasserstockwerken liegen jedoch aufgrund der Datenlage und der Komplexität der Ermittlung nur Abschätzungen für einzelne Wassergewinnungsgebiete vor.“ Das Vorsorgeprinzip würde also gebieten, dem Schutz der tieferen Grundwasserstockwerke besonderes Augenmerk zu widmen.

In Bezug auf den Zugriff darauf bleibt die Staatsregierung eher vage: „Laut Landesentwicklungsprogramm soll Tiefengrundwasser besonders geschont und nur für solche Zwecke genutzt werden, für die seine speziellen Eigenschaften notwendig sind. Im Rahmen von wasserrechtlichen Gestattungen zur Wasserentnahme wird dieser Zweck regelmäßig geprüft. Generell gilt seitens der Staatsregierung die Maxime, dass Tiefengrundwasserentnahmen, soweit nicht zwingend erforderlich, zu vermeiden sowie – wo möglich – durch Alternativen zu ersetzen und zu reduzieren sind.“ Da bleibt für die Kreisgruppe schon die Frage, ob die "speziellen Eigenschaften" z. B. notwendig sind, um Wasser aus tieferen Stockwerken als Mischgetränk in Flaschen abzufüllen und in die weite Welt zu exportieren.

Und wer stellt fest, ob eine Entnahme zwingend erforderlich ist, weil alle Alternativen ausreichend, aber mit negativem Ergebnis geprüft wurden. Welcher Mehraufwand wird als noch mögliche Alternative akzeptiert? Wäre Sparsamkeit nicht auch eine Alternative?

Eine Frage bezog sich auch auf den künftigen Preis für Trinkwasser. Einerseits darf Trinkwasser nicht zum Luxus werden, wie dies in vielen Ländern der Erde heute leider der Fall ist. Auf der anderen Seite könnte der Preis aber auch ein Signal darstellen, mit Trinkwasser sparsam umzugehen. Interessanterweise sieht die Staatsregierung den Preis nicht als Regulativ, wo doch sonst der Markt alles regeln soll: „Die Gebühren und Beiträge für die öffentliche Wasserversorgung sowie die Abwasserentsorgung spielen nach Ansicht der Staatsregierung in Bayern beim Verbrauch gemessen am Pro-Kopf-Einkommen nur eine untergeordnete bzw. gar keine Rolle. Die Kalkulation richtet sich nach den einschlägigen Rechtsgrundlagen und ist unabhängig von der wirtschaftlichen Situation der Anschlussnehmer. Für eine künstliche Verteuerung, um Anreize zum Wassersparen zu setzen, gäbe es keine Rechtsgrundlage.“ Eine Studie des Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) postuliert aber, dass die Verteuerung des Trinkwassers nach 1990 der wichtigste Grund für den anhaltend deutlich niedrigeren Pro-Kopf-Verbrauch in den damals „neuen“ Bundesländern im Vergleich zu den „alten“ Ländern war.

Spielraum sieht die Staatsregierung bei der Tarifgestaltung, was die Aufteilung in verbrauchsabhängige und -unabhängige Kosten angeht: „Generell wird Wassersparen durch einen starken verbrauchsabhängigen Gebührenanteil unterstützt. Der größte Teil der Kosten bei einem Wasserversorgungsunternehmen sind jedoch Fixkosten, weitaus geringer sind die Betriebskosten je Kubikmeter Trinkwasser. Die Branche, insbesondere Verbände, vertreten daher einen möglichst hohen Anteil der Grundgebühr.“

Aus Sicht der Kreisgruppe sollten die Tarifmodelle die verbrauchsabhängigen Kosten stärker in den Vordergrund stellen. Selbst für einen Tarif, in dem der Preis pro Kubikmeter überproportional mit der Bezugsmenge ansteigt, gäbe es gute Argumente: Je höher der Verbrauch ist, desto aufwändiger ist die vom Versorger vorzuhaltende Infrastruktur, die seine Fixkosten in die Höhe treibt. Und je stärker der Verbrauch schwankt, desto mehr Aufwand muss er treiben um einerseits die Spitzen abdecken zu können und andererseits zu vermeiden, dass das Wasser in verbrauchsarmen Zeiten absteht. Beim Strom gibt es heute Tarifmodelle, die Leistungsspitzen überproportional verteuern, warum sollte dies beim Trinkwasser vollkommen undenkbar sein?

Im Widerspruch dazu, dass die Staatsregierung im Preis keine Motivation zum sparsameren Umgang mit Trinkwasser sieht, steht ihre Antwort auf die Frage, wie denn die verstärkte Sammlung und Nutzung von Regenwasser gefördert werden könnte: „Generell verfügen die Kommunen im Rahmen der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung bereits heute über ein wirksames Instrument zur indirekten Förderung der Regenwasserspeicherung.“ Hier soll es also dann doch der Preis für das Abwasser richten.

Die Kreisgruppe des BUND Naturschutz begrüßt dagegen ausdrücklich die folgende Aussage der Staatsregierung: „Der Rückhalt und die Nutzung von Regenwasser für Bewässerungszwecke ist ein wesentliches Element des Schwammstadtprinzips zur Anpassung an den Klimawandel (...). Im Rahmen der (...) Städtebauförderung 2020 werden deshalb Maßnahmen des Klimaschutzes bzw. zur Anpassung an den Klimawandel, insbesondere durch Verbesserung der grünen Infrastruktur (u.a. Schwammstadt) zur zwingenden Fördervoraussetzung.“Das allein ist aber nicht ausreichend. Der BN fordert zudem eine Zisternenpflicht für alle Neubauten zur Verbesserung des Wasserrückhaltes.

Wie wird unser Wasserverbrauch in zehn oder dreißig Jahren sein? Die Studie des Fraunhofer ISI sagt, dass der Wasserverbrauch in Trockengebieten höher ist als in Gebieten mit ausreichendem Niederschlag. Im Klimawandel zurückgehender Niederschlag würde also den Pro-Kopf-Verbrauch steigern. Die Studie nennt weitere Einflüsse: Ältere Menschen verbrauchen mehr Wasser als jüngere, Personen in Single-Haushalten mehr als Personen in großen Haushalten. Der Klimawandel und die strukturellen Veränderungen in unserer Gesellschaft wirken danach jeweils auf einen höheren Verbrauch hin. Zu vermuten wäre auch, dass Siedlungsstrukturen einen Einfluss haben und dass Bewohner von Einfamilienhäusern mit Garten mehr Wasser verbrauchen als von Mehrfamilienhäusern. Auch ein steigendes frei verfügbares Einkommen verringert nicht nur den Anreiz zum Wassersparen sondern öffnet neue Nutzungen wie die schon erwähnten privaten Schwimmbäder.

Die Staatsregierung berücksichtigt in ihrer Wasserversorgungsbilanz zwar Klimawandel und Bevölkerungswachstum, lässt diese anderen Faktoren aber außen vor: „Aufgrund der Entwicklung in den vergangenen Jahren kann davon ausgegangen werden, dass der einwohnerspezifische Wasserverbrauch bis zum Jahr 2030 in etwa konstant bleibt. Auch bis zum Jahr 2050 werden bislang keine gravierenden Änderungen vorausgesagt. (…) Ein erhöhter Wasserverbrauch in Wassermangelgebieten in Trockenphasen ist aus den Daten der Umweltstatistik in Bayern momentan nicht eindeutig erkennbar. (...) Signifikante Einflüsse auf eine Zunahme des Trinkwasserverbrauchs pro Kopf durch eine Veränderung der Haushaltsgröße sowie demographische Entwicklungen lassen sich in Bayern derzeit nicht erkennen.“

Also alles in Ordnung und kein Anlass zur Sorge? Für unseren Landkreis mag das derzeit noch zutreffen. Trinkwasser wird aber ein zunehmend knappes Gut. Die sinkenden Quellschüttungen und Pegelstände in den Brunnen in den letzten drei Jahren zeigen, dass diese Aussage nicht nur in Nordbayern sondern auch bei uns gilt. Wir täten also gut daran, uns Gedanken um unseren Trinkwasserverbrauch zu machen.

Rechnen Sie für Ihren Haushalt doch einmal den Verbrauch pro Kopf und Tag aus. Vergleichen Sie Ihren Verbrauch mit dem Durchschnittsverbrauch in Bayern und in anderen Bundesländern und überlegen Sie sich für sich selbst ein Verbrauchsziel und wie Sie es einhalten können, wenn schon die Staatsregierung keine Zielvorstellung hat. Der nächste Jahreswechsel kommt näher, und einem solchen Verbrauchsziel näher zu kommen, wäre doch mal ein guter Vorsatz für das Neue Jahr.

Christian Rutkowski