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"Teller oder Tank"

„Teller oder Tank“, dies war der provokante Titel einer gut besuchten und engagierten Podiumsdiskussion im Traunsteiner Rathaussaal unter der Moderation des früheren Landtagsabgeordneten Gustav Starzmann. Dabei wurden die verschiedenen Aspekte der Produktion von Agro-Sprit erörtert. Organisiert wurde diese Veranstaltung vom Bund Naturschutz Traunstein in Zusammenarbeit mit dem Forum Ökologie, der VHS und dem ökumenischen Forum.

Die Vorsitzende des Bund Naturschutz Traunstein, Beate Rutkowski, begrüßte die Teilnehmer und stellte die Referenten vor.

 

Als Schirmherr forderte Oberbürgermeister Manfred Kösterke in seiner Begrüßungsrede die Forschung auf, andere technisch effiziente Möglichkeiten zur Energiegewinnung zu finden, ohne dafür Nahrungsmittel opfern zu müssen. „Teller statt Tank“, solle es heißen, so der OB.

In seinem Impulsreferat stellte der Diplom-Agraringenieur Stefan Rauh von der TU Mün-chen die wirtschaftlichen und ökologischen Zusammenhänge der Agro-Sprit-Produktion dar und erläuterte die Ursachen der Nahrungsmittelkrise. Noch vor 60 Jahren seien in Deutschland 30-40% der Flächenerträge für die Energiebereitstellung (z.B. Futtermittel für Pferde) verwendet worden, heute wären es nur noch ca. 7%, weltweit 2%. Wesentlich wäre die Entwicklung der Rohstoffpreise. „Wenn die Preise für Weizen wieder steigen, gibt es kein Bioethanol mehr“, so der Agrarexperte.

Unterscheiden müsse man zwischen mit Hilfe von fossilen Brennstoffen hergestelltem Bioethanol (Biodiesel) und reinem Pflanzenöl, das ebenfalls für den Fahrzeugbetrieb einge-setzt werden könne und dessen CO2 -Bilanz wesentlich besser sei. Die Herstellung von Bioethanol aus Weizen mit Hilfe von Braunkohle und Erdgas würde mehr CO2 frei-setzen als einsparen.

Grundsätzlich sei beim Anbau von Energiepflanzen auf strenge Umweltrichtlinien zu achten.

Es dürfe keine Waldrodung, keinen Grünlandumbruch und keine Intensivierung der Landwirtschaft geben. Der Schaden einer Landnutzungsänderung sei in vielen Fällen nicht mehr wieder gutzumachen. Auch eine Zertifizierung würde das Problem nicht lösen, da die Kontrolle fast nicht möglich sei.

Wenn man über Flächenverbrauch spricht, dann solle man aber auch bedenken, dass allein deutsche Landwirte im Ausland 3-5 Millionen ha Fläche für den Futtermittelanbau benötigen. Auch das sei mit ein Grund für die weltweit steigenden Lebensmittelpreise. Diese träfen die armen Menschen auf der Erde wesentlich härter, als unsere Verbraucher. Bei uns läge der Anteil des Getreidepreises beim Brotpreis bei 6%, in Mexiko beispielsweise sei der Anteil des Maispreises an dem Preis für das Grundnahrungsmittel Tortilla 72% .

Gerd Waizmann, Geschäftsführer der regOel GmbH Prien sprach vor allem über die Her-stellung von Rapsöl in unserer Region. „Für die dezentrale Herstellung von kaltgepresstem Rapsöl wird nur ca. 15% der enthaltenen Energiemenge benötigt“. Dies sei ein wichtiger Einkommensfaktor für die heimischen Landwirte und ein Beitrag zur Ökologie. Derzeit fände aber bei uns auf Grund der Besteuerung keine Rapsöl-Produktion mehr statt. Er forderte eine Abschaffung der Besteuerung von Pflanzenöl-Kraftstoffen. „Ein Hektar für den Rapsölanbau ersetzt auch ein Hektar Sojaanbau in Brasilien, denn der Rapskuchen sei ein hochwertiger Ersatz für Futtermittel aus Übersee. Derzeit gäbe es aber auf dem heimischen Markt praktisch keinen Rapskuchen mehr. An der Nahrungsmittelkrise sei nicht nur der Anbau von Energiepflanzen, sondern vor allem auch die weltweite Verfütter-ung von Getreide, Mißernten und Börsenspekulationen Schuld. Er forderte daher dezen-trale Strukturen, konzernunabhängige Erzeugung, ein für die Bauern erträgliches Preisni-veau und eine regionale Wertschöpfung, dann könne es „Teller und Tank“ heißen.

Auf die ökologischen und sozialen Aspekte ging auch der dritte Referent Joachim Lorenz ein. Er ist nicht nur Leiter des Referates für Umwelt und Gesundheit der Stadt München, sondern auch der deutsche Vorsitzende des „Klimabündnis“, dem auch die Stadt Traunstein angehört. Er forderte den Stopp des Einsatzes von Biokraftstoff aus dem außereuropä-ischen Ausland, solange es keine weltweit einheitliche Zertifizierung gäbe und einen Stopp der Beimischung von Biothanol zu den Kraftstoffen. Die Bauern in den Entwicklungslän-dern verlören ihre Landrechte an große Konzerne. Dies würde Landflucht und soziale Verelendung bedeuten. Der ökologische Schaden durch die Rodung von Regenwäldern, den Einsatz von Gentechnik und Spritzmitteln und durch den Flächenumbruch wäre enorm. Der Einsatz von Energiepflanzen sei nur für stationäre Anlagen, z.B. Kraft-Wärme-Koppelung mit einem Wirkungsgrad von 90% und in ökologisch sensiblen Bereichen (z.B. in der Land- und Forstwirtschaft und beim Wasser-bau) zu vertreten. „Man solle aber nur das verwenden, war auch hier bei uns produziert werden kann“ so Joachim Lorenz. Im Prinzip solle es „Teller statt Tank“ heißen mit einigen vorsichtigen Ausnahmen. Auch die Stadt München verzichte in ihren Stadtwerken auf den Einsatz beispielsweise von Palmöl aus Indonesien.

Christina Mertens, Umweltreferentin der ev. Landeskirche Bayern stellte wie ihre Vorred-ner heraus, das der wichtigste Aspekt für den Klimaschutz die Energieeinsparung sei. Auch nach der Bibel dürften sich die Menschen das nehmen, was sie zum Leben bräuch-ten. Dabei müsse aber das Nachhaltigkeits- und Vorsorgeprinzip oberstes Gebot sein. „Gut leben statt viel haben“ bedeute nicht mehr Konsum sondern weniger.

„Einfacher statt komplexer, langsamer statt schneller, näher statt weiter, nutzen statt besitzen, erneuern statt wegwerfen„ sollten die Zielvorgaben sein, so die Referentin.

Die anschließende spannende Diskussion zeigte noch weitere Aspekte auf. Der Umwelt-referent der Stadt Traunstein, Dr. Rainer Schenk forderte, dass jeder sich täglich selbst entscheiden müsse, wie er so viel wie möglich Energie und fossile Brennstoffe einsparen könne. Der frühere Forstdirektor Dr. Thiele gab zu bedenken, dass die Bereitstellung von Stillegungsflächen und Grenzertragsböden für die Produktion von Energiepflanzen einen negativen Einfluss auf die Biodiversität habe. Ein Landwirt betonte, dass der Erhalt und die Erneuerung des Humusanteils einen ganz entscheidenden Einfluss auf die CO2-Bilanz habe und viel wichtiger sei, als Energiepflanzen für den Klimaschutz anzubauen.

Abschließend bedankte sich Beate Rutkowski bei den Referenten und betonte noch einmal, dass die Diskussion gezeigt habe, wie umfangreich dieses Thema sei und dass wir immer „Alles mit allem“ zusammenhinge. Eine genaue Definition von „Teller“ (Ernährungsweisen) und Tank (Bioethanol oder heimisches Pflanzenöl) sei wichtig, um die zukünftigen Ziele differenziert definieren zu können und jedem Impulse für sein eigenes Handeln geben zu können.