Vier- oder sechsspurig - Eine Frage der "Philosophie"?
Seit dem ersten Bekanntwerden der Planungsabsichten hat sich der Bund Naturschutz gegen den überzogenen Ausbau der A 8 zwischen Rosenheim und der Landesgrenze am Walserberg gewehrt. Niemand wird leugnen, dass die Autobahn aus dem Jahr 1938 dem modernen Verkehr nicht mehr gewachsen ist - weist sie über weite Strecken doch nicht einmal Standspuren auf. Aber wie viel Ausbau muss sein, damit der Verkehr fließen kann? Wie viel Ausbau darf sein, wenn es um den Immissionsschutz der Anwohner und um nicht wieder gutzumachenden Landverbrauch geht? Jedem einsichtigen Menschen ist klar, dass es einen Kompromiss zwischen der Leistungsfähigkeit der Autobahn einerseits und dem Eingriff in die Landschaft und dem Schutz der Anwohner andererseits geben muss. Auch die Bau- und Unterhaltskosten müssten eigentlich ein limitierender Faktor sein.
Die Autobahndirektion legt für ihre Planungen die heutige Verkehrsdichte und eine Zukunftsprognose zugrunde und bestimmt danach die Ausbaubreiten. So gilt z.B. für einen Durchschnittstagesverkehr von 19 000 bis 68 000 Kfz/24h ein vierstreifiger Ausbau (31 m breit) für ausreichend. Ab 62 000 Kfz/24h werden sechs Fahrbahnen für nötig gehalten.
Die Autobahndirektion geht bei ihren Planungen weit über ihre eigenen Vorgaben hinaus: Zwar ist zwischen den Anschlussstellen Hofoldinger Forst und Holzkirchen sowie zwischen Bad Aibling und dem Autobahndreieck Inntal ein sechsspuriger Ausbau gerechtfertigt, weil diese Abschnitte schon heute mit einem Tagesverkehr von durchschnittlich 106 300 bzw. 81.700 Kfz belegt sind. Ab Rosenheim nimmt die Verkehrsdichte aber deutlich ab. Zwischen Frasdorf und der Landesgrenze ist die aktuelle Verkehrsdichte so gering, dass man schon ein enormes Verkehrswachstum annehmen muss, um in die Nähe der 62.000 Kfz/24h zu kommen, ab denen ein sechsspuriger Ausbau (36 m breit) vorgesehen ist. (Tagesdurchsätze heute: Frasdorf - Bernau: 55.500; Felden Übersee: 51.900; Bergen-Schweinbach 39.200).
Prognosen über die zukünftige Verkehrsentwicklung sind von vielen schwer einzuschätzenden Faktoren und auch vom politisch-wirtschaftlichen Standpunkt des Gutachters abhängig: Wer an ein ständiges ungebrochenes Wirtschaftswachstum glaubt, wie z.B. die „Prognose deutschlandweiter Verkehrsverflechtungen“, der prognostiziert auch dazu passende entsprechend breite Autobahnen. Fakt ist, dass in unserer Region die Bevölkerungszahlen stagnieren, das Durchschnittsalter der Bevölkerung zunimmt und der Kfz-Markt gesättigt ist.
Offensichtlich sieht man solche Entwicklungstendenzen anderswo deutlicher als bei uns in Südostbayern. Der Straßenplaner Wolfgang Wüst (Autobahndirektion Süd) erwartet auf der nun angedachten A 99 Süd (Autobahnring München) bis zu 70.000 Kfz/pro Tag und dafür würden nach seinen Angaben 4 Spuren ausreichen. Das ist für die Autobahndirektion die gerade noch mögliche Extrembelegung.
Von Frasdorf bis zur Landesgrenze wird sechsspurig geplant, obwohl 70.000 Kfz/24h im Jahresdurchschnitt auch in der kühnsten Prognose bei weitem nicht erreicht werden, es sei denn, man macht die an ganz wenigen Ferientagen auftretenden Spitzenbelastungen zum Regelfall. Was sagt Wolfgang Wüst, mit diesem Widerspruch konfrontiert? - „Das ist alles eine Frage der Philosophie“ (SZ 15.06.09).
Nächste Frage: Wann schickt die Autobahndirektion auch einmal einen Philosophen zu uns aufs Land heraus?